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Fragmente aus dem Tagebuche eines reisenden Neu-Franken: Fragmente aus dem Tagebuche eines reisenden Neu-Franken (1798)

niemahls Menschenleer. Er ist auch den Tag über immer vollgestopft, weil man hierhin die Bestellungen macht und aus dem nahe dabey gelegenen Gasthofe gesehen und gegrüßt werden kann. Er ist der Lieblingsplatz der Koquetten und Schäferinnen, zum Ausstellen der Netze und Lagen der Angeln.

Concerte giebt es im Winter und Sommer hier. Im Winter werden sie in einem Saale des Hinkelschen Gasthofes gegeben, und im Sommer in einem Garten vor dem Thore an der Westseite, in dem Sapuppi weiland die Justitz feil bot und der jetzt der reichen Hinkelschen Familie gehört. Wenn ich hier von Concerten spreche, so darfst du aber nicht an eigentliche Concerte denken, wie man sie in andern Städten giebt. Hier sind es blose Versammlungen, um zu sehen und gesehen zu werden, und um Dinge abzuthun, die man anderswo nicht füglich abthun kann. Der Sollicitant und Prokurator sollicitirt hier seine Prozesse, der Referent bespricht sich mit dem Correferenten, der Practikant erschöpft alle Romane, um seine Geliebte zu unterhalten, der Advokat erstirbt im Knechtsgefühl, und die Kartenspieler erinnern an die Fabel: ein Mann, der in der Welt sich treflich umgesehn. Herr Enslin, ein braver Künstler, von dem du einige Lieder recht artig in Musik gesetzt kennen wirst, ist Musikdirector. Aber kein Mensch nimmt Notitz von seiner Kunst und der geplagte Mann ist nicht selten