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Fragmente aus dem Tagebuche eines reisenden Neu-Franken: Fragmente aus dem Tagebuche eines reisenden Neu-Franken (1798)

man aber den Fuß in die Straßen selbst setzt, glaubt man von unzähligen schwirrenden Bienen und Insecten aller Art umgeben zu seyn. Man sieht sich hier auf dem größten Trödelmarkte, mit dem sich vielleicht nur zwey in Europa messen können. Hier befindet sich die Judenschaft in ihrem Glanze. Der Abstich zwischen dem Reichthum vieler Buden und der Armseligkeit ihrer unmittelbaren Nachbarn ist der brockeste Anblick, den man sich phantasiren kann. Seit 8. Tagen habe ich wenigstens zwanzigmahl eine Tour durch diese Straßen gemacht. Ein jüdischer Doctor juris, den ich in Brünn kennen zu lernen Gelegenheit hatte, war meistens mein Begleiter und bey vielen auffallenden Dingen der gefälligste Cicerone. Da standen wir voll Verwunderung vor einer armseligen Hütte und sahen einen noch armseligern Juden mit der größten Aemsigkeit und Unruhe ein Paar alte Stiefel versohlen, indem uns nebenan ein artiges jüdisches Frauenzimmer aus einem eleganten Zimmer mit der zuvorkommendsten Höflichkeit Galanteriewaaren zum Kaufe bot. Da saß ein Schneider neben einer Schlachtbude, und hier ein frommer Rabbine neben einem Freudenmädchen. Da bot man alte Kleider und Nägel, dort Pfefferkuchen und gebratene Gänse, hier Wagenräder und Gurkensalat, dort die feinsten Manufacturwaaren