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gewählten Hause des Marschalls, Grafen von Flemming. Bach ließ nicht auf sich warten, aber Marchand erschien nicht. Nach langem Warten ließ man sich endlich in seiner Wohnung nach ihm erkundigen, und die ganze Erwartungsvolle Versammlung erfuhr nun zu ihrer größten Verwunderung, daß Marchand schon am Morgen dieses Tages von Dresden abgereiset sey, ohne von irgend jemand Abschied zu nehmen. Bach mußte sich nun allein hören lassen, und that es zur Bewunderung aller Anwesenden; aber Volumiers Absicht, den Unterschied der deutschen und französischen Kunst recht fühlbar und auffallend gemacht zu sehen, war vereitelt. Beyfall erhielt Bach bey dieser Gelegenheit im Ueberfluß; aber ein Geschenk von 100 Louisd'or, welches ihm der König bestimmt hatte, soll er nicht erhalten haben.

Er war noch nicht lange nach Weimar zurück gekommen, als er von dem damahligen Fürst Leopold von Anhalt-Cöthen, der ein vorzüglicher Kenner und Liebhaber der Musik war, zu seinem Capellmeister berufen wurde. Er nahm diese Stelle sogleich an, und verwaltete sie fast 6 Jahre, machte aber in dieser Zeit (ungefähr im Jahr 1722) eine Reise nach Hamburg, um sich daselbst auf der Orgel hören zu lassen. Sein Orgelspielen erregte hier allgemeine Bewunderung. Der alte fast hundertjährige Reinken hörte ihm mit besonderm Vergnügen zu, und machte ihm besonders über den Choral: An Wasserflüssen Babylons etc. welchen er fast eine halbe Stunde lang nach ächter Orgel-Art variirte, das Compliment: Ich dachte, diese Kunst wäre ausgestorben; ich sehe aber, daß sie in Ihnen noch lebt. Reinken hatte diesen Choral vor langen Jahren selbst so ausgearbeitet, und ihn als ein Werk, auf welches er viel hielt, in Kupfer stechen lassen. Sein Lob war also hier desto schmeichelhafter für Bach.

Nach Kuhnau’s Tode im Jahr 1723 wurde Bach zum Musikdirector und Cantor an der Thomasschule zu Leipzig ernannt. In dieser Stelle blieb er bis an sein Ende. Der Fürst Leopold von Anhalt-Cöthen liebte ihn sehr; Bach verließ also seine Dienste ungern. Aber der bald nachher erfolgte Tod dieses Fürsten zeigte ihm doch, daß ihn die Vorsehung gut geführt hatte. Auf diesen ihm sehr schmerzhaften Todesfall verfertigte er eine Trauermusik mit vielen ganz vorzüglich schönen Doppelchören, und führte sie selbst in Cöthen auf. Daß er in seiner jetzigen Lage nun auch vom Herzog

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Johann Nikolaus Forkel: Ueber Johann Sebastian Bachs Leben, Kunst und Kunstwerke. Hoffmeister & Kühnel, Leipzig 1802, Seite 8. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Forkel_Bach_1802_Seite_08.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)