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dafür, dass abermals nach hellenischem Vorbilde auch dem Körper die gehörige Gymnastik zu Teil werde: dann wird sie wahrhaft nationale, wahrhaft humane Pädagogik treiben.

Und damit genug. Denn alle andern in jüngster Zeit wieder erhobenen Vorwürfe, dass die klassische Philologie ihre Jünger zur Gleichgültigkeit gegen das Vaterland und gegen die moderne Kultur, zur Abneigung gegen das Christentum erziehe, sind nichtig. Die Griechen und Römer mahnen wie wenige durch Wort und Beispiel zur Vaterlandsliebe, nur wehrt die Beschäftigung mit ihnen dem falschen Chauvinismus, indem sie von Platon und dem alten Cato lernt, dass die Politik auf der Erkenntnis des Gerechten ruht und dass ein guter Bürger und Redner vor allem ein guter Mensch sein müsse. Willig verzichtet die klassische Philologie der Gegenwart auf den Anspruch vergangener Jahrhunderte im Altertum die Quelle absoluter Erkenntnis und Wahrheit zu sehen; neidlos erkennt sie die Ueberlegenheit der Jetztzeit über das Altertum in den mannichfachsten Beziehungen an; nur erinnert sie daran, dass die erstere auf den Schultern des letzteren steht und hebt hervor, dass in der Erkenntnis des Menschen und in der Ausgestaltung des Menschlichen die Alten unübertroffne Meister sind. Desgleichen betont sie, dass christliche Wissenschaft und christliche Kunst Kinder der Antike sind, dass wie das Christentum sich in seinen Anfängen an die griechisch-römische Kultur angelehnt hat, so der Humanismus der Vorläufer und Mitstreiter der Reformation und mit ihr der Freiheit der Wissenschaft gewesen ist; sie kann nicht zugeben, dass, wie immer wieder von gewisser Seite verlangt wird, das Neue Testament in griechischer oder lateinischer Sprache oder Kirchenväter als Lektüre auf den Gymnasien an die Stelle der Klassiker treten oder dass die letzteren christianisirt werden. Aber die fromme Sage, dass als der Stern über Bethlehem aufging, die Bilder der alten Götter zerbrachen und umstürzten, nimmt sie willig in dem Sinne an, dass die olympischen Götter fortan nur noch

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Richard Foerster: Die Klassische Philologie der Gegenwart. Universitäts-Buchhandlung, Kiel 1886, Seite 24. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Foerster_Klassische_Philologie_der_Gegenwart_24.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)