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könnte, dass hingegen, 157 wenn du uns lossprichst, du das Bewusstsein habest, dies in deiner Güte und Milde gethan zu haben. Denn dann schenkst du uns nicht nur das Leben, sondern erweisest uns auch die Gnade, uns für besser zu halten, als wir sind, und bist mehr auf unser Wohl bedacht als wir selbst. 158 Hast du also beschlossen, ihn zu töten, so lass mich für ihn die Todesstrafe erleiden und sende ihn dem Vater zu. Willst du ihn aber lieber der Knechtschaft überantworten, so bin ich selbst noch tauglicher als er zu deinem Dienste. Zu beiden Strafen bin ich, wie du siehst, geeignet und bereit.“ 159 Hierauf warf sich Judas, der freudigen Herzens für das Wohlergehen seines Bruders leiden wollte, Joseph zu Füssen und versuchte so dessen Zorn zu besänftigen und zu beschwichtigen. Ebenso thaten auch die anderen Brüder und erboten sich unter Thränen, für Benjamin zu sterben.

(9.) 160 Joseph aber wurde von Mitleid überwältigt und konnte sich nicht länger zornig stellen. Und er befahl den Anwesenden, sich zu entfernen, damit er ohne Zeugen sich seinen Brüdern zu erkennen geben könne. Als nun alle sich zurückgezogen hatten, gab er sich seinen Brüdern zu erkennen und sprach: 161 „Eure liebevolle Gesinnung gegen unseren Bruder muss ich loben, und ich sehe, dass ihr doch ein besseres Gemüt habt, als ich nach dem erwarten konnte, was ihr einst gegen mich ins Werk gesetzt habt. Denn ich habe alles, was ihr hier an euch erfahren habt, nur deshalb angeordnet, um eure brüderliche Liebe auf die Probe zu stellen. Ich glaube auch, dass ihr von Natur nicht bösartig gegen mich gesinnt waret, sondern ich schreibe alles dem Willen Gottes zu, der uns den Genuss der gegenwärtigen Güter gestattet und den der zukünftigen nicht vorenthalten wird, wenn er fortfährt, uns gnädig zu sein. 162 Da ich nun auch erfahren habe, dass der Vater gegen meine Erwartung noch wohlbehalten ist, und dass ihr euren Bruder so sehr liebt, so will ich weiterhin dessen, was ihr an mir gesündigt, nicht mehr gedenken. Auch

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Flavius Josephus: Jüdische Altertümer. Otto Hendel, Halle a.d.S. 1899, Seite 100. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FlavJosAnt1GermanClementz.pdf/99&oldid=- (Version vom 4.8.2020)