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und Statthalter hielten dafür, dass man dem Volke vorschreiben müsse, binnen einer Frist von dreissig Tagen dürfe niemand weder den König noch die Götter um irgend etwas bitten. Wer aber gegen diesen Befehl verstosse, der solle in die Löwengrube geworfen werden und dort seinen Tod finden.

(6.) 254 Der König, der nicht im entferntesten daran dachte, dass dahinter ein Anschlag gegen Daniel sich verbergen könne, billigte den Vorschlag und versprach, ein feierliches Edikt zu erlassen, um dem Volke den Beschluss der Satrapen kundzumachen. 255 Während nun alle anderen sich hüteten, diesen Befehl zu übertreten, kümmerte sich Daniel nicht darum, sondern warf sich seiner Gewohnheit gemäss vor Gott öffentlich nieder, um ihn anzubeten. 256 Jetzt glaubten die Satrapen endlich eine Gelegenheit zum Sturze Daniels gefunden zu haben; sie eilten daher zum Könige und klagten, Daniel allein wage es, sein Gebot zu verachten, während alle anderen das Flehen zu den Göttern unterliessen. Doch trieb sie zu dieser Anklage nicht ihr Eifer für den König, sondern nur der Neid und die Missgunst gegen Daniel. 257 Da sie aber befürchteten, Darius möchte in seiner grossen Vorliebe für Daniel diesem die Übertretung des Gebotes nachsehen, verlangten sie mit aller Strenge, er solle nun nach der Vorschrift des Ediktes in die Löwengrube geworfen werden. 258 Darius war voller Hoffnung, Gott werde den Daniel beschützen und dafür sorgen, dass die Bestien ihm kein Leid zufügten; er ermunterte ihn deshalb, sein Geschick mit Gleichmut zu ertragen. Als nun Daniel in die Höhle geworfen worden war, versiegelte der König den an ihrem Eingang befindlichen Stein und entfernte sich. Die ganze Nacht aber brachte er ohne Nahrung und Schlaf zu und ängstigte sich um Daniel gar sehr. 259 Beim Morgengrauen erhob er sich und eilte zu der Höhle, und da er das Siegel unverletzt fand, liess er den Stein entfernen und rief mit lauter Stimme: Daniel, um sich zu vergewissern, ob er noch am Leben sei. Als dieser des Königs Stimme hörte, entgegnete er, er sei gänzlich

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Flavius Josephus: Jüdische Altertümer. Otto Hendel, Halle a.d.S. 1899, Seite 642. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FlavJosAnt1GermanClementz.pdf/641&oldid=- (Version vom 12.12.2020)