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seinen Dienern vor. Saul kehrte darauf, da es noch Nacht war, ins Lager zurück.

(4.) 340 Es geziemt sich, die willige Freundlichkeit dieses Weibes lobend hervorzuheben. Denn obgleich ihr die Ausübung ihrer Kunst, durch die ihre Lage sich bedeutend verbessert haben würde, vom Könige verboten worden war und sie ihn früher nie gesehen hatte, gedachte sie doch des ihr zugefügten Unrechtes nicht, verachtete ihn auch nicht wie einen fremden und unbekannten Mann, 341 sondern hatte Mitleid mit ihm, tröstete ihn, ermahnte ihn, die lang entbehrte Speise zu sich zu nehmen, und teilte ihm alles, was sie in ihrer Armut besass, reichlich und gern mit. Und hierfür erwartete sie nicht den geringsten Lohn noch zukünftigen Dank, da sie ja wusste, dass Saul sterben müsse. Die Menschen sind allerdings von Natur so geartet, dass sie erst dann anderen Gutes erzeigen wollen, wenn sie selbst vorher irgend einen Vorteil von ihnen erlangt haben. 342 Schön ist es deshalb, dem Beispiele dieses Weibes nachzueifern, alle Notleidenden zu unterstützen und nichts für vortrefflicher, dem Menschen geziemender und Gott wohlgefälliger zu halten. Hiermit genug von diesem Weibe. 343 Jetzt aber will ich noch einiges erwähnen, was Städten, Völkern und Geschlechtern nützlich und allen Guten angenehm sein kann, weil alle dadurch angeregt werden, die Tugend zu pflegen und sich so ein ewiges Gedenken zu sichern, ferner weil dadurch auch den Königen der Völker und den Vorstehern der Städte ein grosser Eifer für herrliche Thaten eingeflösst und sie zugleich angeregt werden, den Gefahren und Drangsalen zu trotzen und selbst den Tod fürs Vaterland nicht zu scheuen. 344 Veranlassung zu dieser Erwägung giebt mir der Hebräerkönig Saul. Denn obwohl er infolge der Weissagung des Propheten seinen Tod voraussah, wollte er ihm doch nicht entfliehen oder aus Liebe zum Leben sein Heer dem Feinde preisgeben und so seine Königswürde entehren, 345 sondern er setzte sich mit seinem ganzen Hause mutig der Gefahr

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Flavius Josephus: Jüdische Altertümer. Otto Hendel, Halle a.d.S. 1899, Seite 383. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FlavJosAnt1GermanClementz.pdf/382&oldid=- (Version vom 23.9.2020)