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und der auch die Stadt, welche Gott zur Heimat und Heranbildung von Priestern und Propheten bestimmt hatte, von Grund aus zerstören liess, kann man so recht der Menschen wahre Natur erkennen. 263 Denn so lange sie sich im Privatleben befinden und mit Glücksgütern nicht gesegnet sind, sind sie gut und bescheiden, weil sie ihrem Naturtrieb nicht folgen können und nicht nach Willkür zu schalten wagen. Auch verlegen sie sich dann mit allem Eifer auf die Förderung der Gerechtigkeit, da sie überzeugt sind, dass Gott an allem Anteil nimmt, was die Menschen thun, und dass er nicht nur gegenwärtige Werke, sondern auch schon lange vorher die Gedanken durchschaut, aus denen diese entstehen. 264 Sobald sie dagegen zu Macht und Würde gelangt sind, legen sie alle ihre Sitten und Gebräuche, wie der Schauspieler die Maske, ab und kehren Waghalsigkeit, Übermut und Verachtung aller göttlichen und menschlichen Einrichtungen hervor. 265 Und obwohl es ihnen dann am besten anstände, sich der Frömmigkeit und Gerechtigkeit zu befleissigen, da ihre Gedanken und Werke der allgemeinen Aufmerksamkeit ausgesetzt sind, benehmen sie sich in allen Stücken so übermütig, als ob Gott sie nicht mehr sehe oder sogar sich vor ihrer Macht ängstige. 266 Und wenn sie dann auf irgend ein Gerücht hin etwas fürchten oder hassen oder auch, wenn es ihnen so passt, unvernünftig lieben, so meinen sie, das sei erprobt, wahr und Gott wie den Menschen wohlgefällig. 267 An die Zukunft aber denken sie nicht und ehren zunächst die, die für sie schwere Mühen bestanden haben, später aber beneiden sie dieselben. Ja, wenn sie jemand zu einer hohen Würde verholfen haben, nehmen sie ihm diese nicht nur später wieder, sondern trachten ihm auch wegen derselben nach dem Leben, und das infolge bösartiger und verleumderischer Anschuldigungen, die so ungeheuerlich sind, dass man sie kaum glauben mag. Strafwürdige Vergehen aber ahnden sie nicht, wüten vielmehr ohne jede Untersuchung und blos auf Verleumdungen und falsche Anschuldigungen hin nicht etwa gegen die, bei

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Flavius Josephus: Jüdische Altertümer. Otto Hendel, Halle a.d.S. 1899, Seite 368. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:FlavJosAnt1GermanClementz.pdf/367&oldid=- (Version vom 23.9.2020)