Seite:Finnisch-ugrische Forschungen 12 140.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Märchen und seine verbreitung“ gewidmet ist, besondere beachtung zuteil wird.

Prof. Forke stellt sich bezüglich der vermeintlichen grossen bedeutung der indischen märchen auf einen ablehnenden standpunkt. Er gibt allerdings zu, dass die inder einige ihrer märchen an die anderen völker Asiens und Europas abgegeben haben können, dass sie dafür aber auch einige aus den ländern des westens erhalten haben. Die indischen märchen haben nach ihm z. b. die deutschen so wenig beeinflusst, dass von den 1400 märchen der alten indischen Sammlungen nur etwa 15 episoden oder ganze geschichten auch in den sammlungen von Grimm, Bechstein und Pröhle (Kinder- und Volksmärchen) auftreten. Von diesen 1400 sind also etwa 15 episoden, nicht alles ganze geschichten, in ca. 400 deutsche märchen übergegangen, und wahrscheinlich ist die zahl der aus Indien stammenden märchen in wirklichkeit noch geringer, denn von diesen 15 sind einige möglicherweise im gegenteil von Europa nach Indien gewandert. Den vermeintlichen einfluss der indischen märchen auf die europäischen erklärt Forke in manchen fällen daraus, dass man übereinstimmungen zwischen märchen auch dann zu sehen geglaubt habe, wenn sie in wirklichkeit nicht vorhanden waren, „oder es sind nur anklänge und zufällige ähnlichkeiten“. Und er stellt die indischen märchen nicht einmal in formaler hinsicht besonders hoch: „Sie sind oft viel plumper und einfältiger, als die der europäischen kulturvölker. Es fehlt ihnen z. b. die naive phantasie, die poesie und das gemüt der deutschen märchen.“

Ganz anders beurteilt v. d. Leyen die indischen märchen. „Der märchenreichtum des einen landes Indien übertrifft den märchenreichtum aller anderen völker, die im vergleich mit Indien sehr wenige originale märchen besitzen.“ Es ist tatsache, sagt er an einer anderen stelle, dass die indischen märchen einen grossen einfluss auf die märchen der nichtindischen welt ausgeübt haben. Unter den völkern des östlichen und nördlichen Asiens ist dieser einfluss noch grösser gewesen, als Benfey geglaubt hat. Und über die art der indischen märchen, die Forke so unvorteilhaft schildert, fällt v. d. Leyen u. a. folgendes lobendes urteil: „Die indischen märchen sind in ihrem aufbau und ihrem scharfsinn, in ihrer phantasie und ihrer tiefen

Empfohlene Zitierweise:
Kaarle Krohn, Emil Nestor Setälä, Yrjö Wichmann (Hrsg.): Finnisch-ugrische Forschungen, Band 12. Red. der Zeitschrift; Otto Harrassowitz, Helsingfors; Leipzig 1912, Seite 140. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Finnisch-ugrische_Forschungen_12_140.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)