Seite:Finnisch-ugrische Forschungen 10 039.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

auch die zeitliche zu berücksichtigen, sodass die methode eigentlich eine historisch-geographische ist. Da aber die zeitliche umwandlung in einundderselben gegend im vergleich zu den örtlichen variationen von relativ untergeordneter bedeutung ist und da das sammeln des volkstümlichen materials im allgemeinen kaum mehr als hundert jahre zurückreicht, hat sich die methode vorzugsweise zu einer geographischen ausgebildet. Die älteren literarischen quellen, die z. b. der märchenforschung zu gebote stehen, empfiehlt es sich allerdings von den volkstümlichen getrennt zu behandeln, wenn man nur beachtet, dass sich ein zug im treuen gedächtnis des volkes bis auf den heutigen tag in ursprünglicherer gestalt erhalten haben kann, als er in der mittelalterlichen literatur auftritt. Der wesentlichste wert kommt auch den älteren buchungen als lokalem beweismaterial zu.

Die geographische zusammenstellung der varianten setzt natürlich voraus, dass die traditionen als mündliches lehngut von volk zu volk gewandert sind. Neben dieser wanderungstheorie steht allerdings eine andere, die übereinstimmende erscheinungen aus einer durch übereinstimmende bedürfnisse hervorgerufenen analogen tätigkeit der menschlichen seele herleitet. Die letztere möglichkeit muss natürlich berücksichtigt werden, wenn es sich nur um einen einfachen zug handelt. Die finnische folkloristik hat denn auch die forderung aufgestellt, dass wenigstens zwei kombinierte züge vorhanden sein müssen, und hat daran bei der entscheidung des wirklichen zusammenhangs streng festgehalten. Hierauf beschränkt sich aber auch die berechtigung der sog. anthropologischen theorie. Denn weit kommt man damit selbst auf dem gebiet der materiellen menschlichen erzeugnisse nicht, auf die man manchmal bei der beurteilung geistiger erscheinungen hingewiesen hat. Dass z. b. auch die steingeräte nicht immer autochthone selbständige erzeugnisse, sondern oft als handelsware von hand zu hand gewanderte kulturgegenstände sind, kann sich aus der art des steines selbst ergeben, wenn das zu den geräten verwandte material in der nähe der fundplätze nicht vorkommt. Noch weniger reicht die berufung auf die analoge tätigkeit der menschlichen seele bei der deutung der erzeugnisse der phantasie aus. Diese sind ja in der regel entweder aus mehreren zügen zusammengesetzt,

Empfohlene Zitierweise:
Kaarle Krohn, Emil Nestor Setälä, Yrjö Wichmann (Hrsg.): Finnisch-ugrische Forschungen, Band 10. Red. der Zeitschrift; Otto Harrassowitz, Helsingfors; Leipzig 1910, Seite 39. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Finnisch-ugrische_Forschungen_10_039.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)