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haben sollte, und zugleich bestimmte, dass der Probst des landes ze Oesterreich ewiger und obrister ertzchantzler sein solle. Wie aber österreichische Fürsten überhaupt nur unter Rudolf IV. erwähnt werden, so scheint später auch von einem Fürstenstande des Probstes, welchen schon 1367 die Herzoge nur unsern lieben andächtigen nennen, nicht mehr die Rede gewesen, zu sein.[1]

Glaubten wir dagegen den Reichskanzler als solchen dem ältern 253 Reichsfürstenstande zuzählen zu dürfen[2], so scheint er dem neuern Fürstenstande nicht anzugehören. Keinen der Kanzler aus der letzten Zeit K. Friedrichs I. und unter K. Heinrich VI. finde ich als Fürsten bezeichnet. Als Zeugen stehen sie allerdings den angesehensten Prälaten, wie den Reichspröbsten und Dompröbsten durchaus vor.[3] Dagegen folgen der Kanzler und andere nichtfürstliche Geistliche 1182 auf den Herzog von Schwaben, 1189 auf den römischen König, den Pfalzgrafen von Burgund und den Herzog von Rotenburg, während nur Grafen ihnen folgen[4], wo freilich in beiden Fällen die Beweiskraft sehr dadurch geschwächt wird, dass sämmtliche vorstehende Laienfürsten Söhne des Kaisers sind und geistliche Fürsten überhaupt der Zeugenreihe fehlen; doch wüsste ich eine entsprechende Stellung eines geistlichen Fürsten nur ganz vereinzelt nachzuweisen[5]; 1192, wo Bischöfe neben ihm vorkommen, steht auch der Kanzler als Zeuge den Brüdern des Kaisers voran[6], eine Stellung, welche freilich jeder Geistliche anstandslos einnehmen konnte. Für den Fürstenstand würde allerdings sprechen, dass 1183 der Kanzler nicht nur den weltlichen Fürsten, sondern auch dem Bischofe von Metz vorsteht[7], eine Stellung, welche ich, auch abgesehen davon, dass sie unter allen Verhältnissen wohl nur als Unregelmässigkeit erscheinen kann, doch höchstens dafür geltend machen möchte, dass der Rang des Kanzlers den neuen Auffassungen gegenüber sich noch nicht festgestellt hatte.

Seit 1195 waren die Reichskanzler durchaus Reichsbischöfe; erst unter K. Rudolf finden wir wieder Kanzler, welche nicht ohnehin dem Fürstenstande angehörten. Diese zählen ganz entschieden nur zu den Prälaten; K. Rudolf nennt mehrfach seinen Kanzler honorabilis und scheidet ihn als solchen ausdrücklich von den venerabiles; in Urkunden K. Albrechts steht der Kanzler sogar hinter Grafen.[8]

Unter den geistlichen Reichsfürsten nimmt wenigstens in späterer 254 Zeit der Hochmeister des deutschen Ordens einen sehr hohen Rang ein, da er auf dem Reichstage unmittelbar auf die Erzbischöfe folgt. Heisst es in den Urkunden, durch welche der Kaiser dem Hochmeister 1226 das Land Kulm und 1245 die Länder Kurland, Litthauen

  1. Steyerer 506. 514. 527. Vgl. u. ergänze § 20 n. 3.
  2. Vgl. § 46.
  3. 1187-95: M. B. 29, 451. Wirtemb. UB. 2, 244. Göschen Gosl. Stat. 111. C. d. Westf. 2, 238.
  4. Wenck 2, 115. Würdtwein n. s. 12, 119.
  5. Vgl. § 41 n. 7.
  6. Mohr c. d. 1, 232.
  7. Zeerleder 1, 127.
  8. Acta Henr. 2, 250. Reg. Rud. n. 490. Albr. 95. 266. Vgl. § 110 n. 13-16.
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Julius von Ficker: Vom Reichsfürstenstande. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1861, Seite 397. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Vom_Reichsf%C3%BCrstenstande_397.jpg&oldid=- (Version vom 29.1.2017)