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aber unzweifelhaft nicht der Fall. Trotz zahlreicher urkundlicher Erwähnungen finden wir nie einen jener Pröbste als Fürsten bezeichnet. Bestimmter noch ergibt sich das daraus, dass wir, wo geistliche Fürsten und Prälaten durch Prädikate oder Stellung schärfer auseinandergehalten wurden, die Pröbste den letztern zugezählt finden.[1] Was insbesondere die Stellung betrifft, so finden wir die Reichspröbste allerdings häufig den Dompröbsten vorgestellt auf der Scheide zwischen Fürsten und Prälaten; aber nicht selten doch auch die angesehensten in Stellungen, mit welchen der Fürstenstand unvereinbar ist. So steht der Probst von Goslar in Kaiserurkunde von 1188 hinter dem Reichskanzler und 1193 einmal hinter dem Domprobst von Köln, ein anderesmal hinter den mittelbaren Aebten von Laach und Altenberg[2]; den Probst von Aachen finden wir 1242 durch den Deutschordensmeister von den Bischöfen getrennt, 1257 hinter dem Dechant und Thesaurar von Köln, während der Fürstabt von Werden ihnen vorsteht, 1263 hinter dem Domdechant und Probst von S. Gernon, 1292 sogar hinter den Grafen und freien Herren[3]; 1285 wird er vom Könige honorabilis genannt, während neben ihm der Bischof von Lüttich venerabilis heisst.[4]

Scheint nun schwer abzusehen, wesshalb der vom Reiche investirte Probst dem Reichsabte nicht gleich stehen soll, und könnte das Bedenken erregen gegen die Stichhaltigkeit der bei Prüfung der Stellung der Aebte beachteten Gesichtspunkte, so dürfte vorbehaltlich weiterer Erörterung doch von vornherein darauf hinzuweisen sein, dass bei den Pröbsten, so weit ich sehe, wohl von einer Investitur, nicht aber von einer Belehnung mit den Regalien ihrer Kirche, nicht von einem dem Könige geleisteten Homagium die Rede ist, dass die deutschen Rechtsbücher nur lehnsfähige Bischöfe, Aebte und Aebtissinnen kennen, welche dann zugleich Reichsfürsten sind, nicht aber lehnsfähige Pröbste. Das longobardische Lehnrecht erwähnt allerdings auch Pröbste mit aktiver Lehnsfähigkeit[5]; lässt das auf die passive zurückschliessen, so finden sich auch wohl Reichsbelehnungen für italienische Pröbste; 1228 heisst es vom Reichsvikar: cum uno ense quem suis manibus tenebat, prout melius et de jure potuit, investivit dominum H. prepositum ecclesie S. Marie de Vezolano nomine ipsius ecclesie de castro – Albugnani – nomine recti et gentilis feudi cum mero et mixto imperio et gladii potestate et plena signoria jussu predicti imperatoris; et pro hac investitura dictus prepositus fecit et juravit fidelitatem domino imperatori et successoribus suis.[6] Dass wir übrigens auch italienische Pröbste nie den Fürsten zugezählt finden, darf wohl kaum bemerkt werden.

Auf eine von den Reichsabteien verschiedene Stellung der Reichsprobsteien dürfte auch zurückschliessen lassen, dass keine derselben auf

  1. Vgl. § 110. 120.
  2. Göschen Gosl. Stat. 111. Hund 1, 378. Lacombl. 1, n. 539.
  3. Lacombl. 2, n. 267. 441. 534. 680 Anm.
  4. Reg. Rud. n. 833.
  5. I Feud. 1. pr.
  6. Ughelli 4, 1074.
Empfohlene Zitierweise:
Julius von Ficker: Vom Reichsfürstenstande. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1861, Seite 366. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Vom_Reichsf%C3%BCrstenstande_394.jpg&oldid=- (Version vom 9.3.2019)