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das Recht zugesprochen wird, wie es Quedlinburg, Essen, Gandersheim et ceterae regales abbatiae haben.[1] Die Abtei wird später wohl den fürstlichen zugezählt[2]; aber Regalienverleihungen sind mir nicht bekannt und eben so wenig Kaiserurkunden, in welchen die Aebtissin als Fürstin bezeichnet wäre. Auch dürfte kaum als Beleg zu betrachten sein, wenn der Herzog von Sachsen 1357 bekundet, von der hochgebornen Fürstin, Frau Alheid, Aebtissin von Gernrode belehnt zu sein[3]; je seltener andere Fürsten den Fürstäbten als solchen den Fürstentitel zu geben pflegen, um so eher ist zu vermuthen, dass derselbe sich hier nur auf die Abstammung der Aebtissin aus dem fürstlichen Hause Anhalt bezieht. Reichsunmittelbar blieb die Abtei jedenfalls; noch nach der Säkularisation wurde die Stimme auf der Prälatenbank vom Hause Anhalt fortgeführt.

Eine andere Reichsabtei, das Nonnenkloster Alsleben an der Saale, wurde 1131 an das Stift Magdeburg vertauscht.[4] Riddagshausen, reichsunmittelbar, dann von Braunschweig eximirt, war früher Cisterzienserabtei.[5]

Von den Abteien des Hildesheimer Sprengels war Gandersheim schon 877 dem Reiche übergeben[6] und gehörte zu denen, welche in den Freiheitsbriefen als Norm genannt werden.[7] Die Aebtissinnen gehörten wohl unzweifelhaft zu den Fürstinnen, wenn ich auch den Titel erst in Regalienverleihungen von 1621 und 1707 nachzuweisen weiss[8]; eine Investitur mit den Regalien findet sich schon 1224.[9] Die Aebtissin behauptete auch später gegen die braunschweigischen Ansprüche Unmittelbarkeit und Stimme unter den Prälaten. Wurde bei den bezüglichen Streitigkeiten unter anderm auch geltend gemacht, dass es in der Ottonischen Urkunde von 980[10] in der Befreiungsformel nur heisse nullus comes, nicht aber nullus princeps, die Abtei demnach von fürstlicher Gewalt nicht eximirt sei[11], so muss es doppelt auffallen, dass sich in den Abdrücken der Urkunde von 877 wirklich die Formel nullus princeps findet, welche wir schon früher als sehr auffallend bezeichneten.[12] Es gibt nun aber zwei Originale dieser Urkunde, das eine unecht, nach welcher die Abdrücke erfolgten, das andere echt, welches sich von jenem nur durch das Wort nullus comes unterscheidet[13]; gewiss ein auffallendes Beispiel, mit welcher Gedankenlosigkeit man im siebzehnten Jahrhunderte die Verhältnisse und Ausdrücke in dem damals geläufigen Sinne auf die frühesten Jahrhunderte übertrug, zumal auch die Gegenpartei nicht daran gedacht zu haben scheint, dass das Argument auf anderm Wege, als durch eine sein Gewicht anerkennende

  1. Beckmann 1, 170. 171.
  2. Gebhardi 1, 290.
  3. Schöttgen et Kr. 3, 423.
  4. Reg. imp. n. 2115.
  5. Vgl. Moser 37, 223.
  6. Or. Guelf. 4, 370.
  7. Vgl. § 224 n. 8.
  8. Lünig 11, 837. 839.
  9. Huillard 2, 810. Desgl. Reg. Rup. n. 8103.
  10. Meibom scr. 2, 497.
  11. Vgl. Moser 37, 454.
  12. Vgl. § 22 n. 5.
  13. Nach nachträglicher Mittheilung meines Freundes Prof. Stumpf, welcher beide Originale zu Wolfenbüttel einsah.
Empfohlene Zitierweise:
Julius von Ficker: Vom Reichsfürstenstande. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1861, Seite 347. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Vom_Reichsf%C3%BCrstenstande_375.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)