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als die römischen Klöster; erkannten sie keinen weltlichen Herrn ihres Besitzes an, verstanden sie sich zu keinen entsprechenden Leistungen, während bei den Reichsabteien das Wesentliche war, dass das Reich Eigenthümerin derselben war, dass der Abt vom Könige mit den Regalien investirt wurde, ihm dafür nach der spätern Auffassung zur Lehnstreue verpflichtet war, so lag offenbar ein ganz verschiedenes Rechtsverhältniss vor. Sehr deutlich sehen wir das 1231 bei der Verwandlung der Reichsabtei S. Salvator de Monte Amiate in ein Cisterzienserkloster; der Kaiser gestattet dieselbe, aber salva fidelitate et omni jure imperii, que predecessores abbates ipsius monasterii nobis et imperio facere tenebantur ac idem abbas et successores sui facere tenentur et debent, non obstantibus Cisterciensis ordinis institutis, per que monachi professionis eiusdem se asserunt de iis, que tenentur, non debere servitium exhibere; und wieder bedurfte es einer besondern Erlaubniss des Generalkapitels für den Abt, wodurch diesem und seinen Nachfolgern gestattet wurde: ut vobis et successoribus vestris imperatoribus fidelitatem faciant et servitium exhibeant, sicut abbates ipsius monasterii facere consueverunt.[1]

228Fassen wir das Gesagte zusammen, so ergibt sich, dass bis auf die Zeit des Investiturstreites die Reichsabteien zugleich die einzigen reichsunmittelbaren Abteien waren, abgesehen etwa von vereinzelten, schon früher der römischen Kirche übergebenen; denn die übrigen gehörten den geistlichen oder weltlichen Grossen des Reiches. Seit dem Verbote der Laieninvestitur gab es dagegen eine Menge freier Abteien, welche wir als reichsunmittelbare bezeichnen können, insofern sie keiner Gewalt im Reiche bezüglich ihres weltlichen Besitzes unterworfen waren; aber sie gehörten auch nicht dem Reiche selbst. Sie würden aber auch nicht fürstliche Abteien sein können, falls unsere Vermuthung sich bewährt, dass Belehnung mit den Regalien für Aebte notwendiges Kennzeichen des Fürstenstandes sei, da ja diese Belehnung eben darauf beruhete, dass das Reich Eigentümer der Abtei war.

Dadurch erhalten wir denn auch einige weitere Anhaltspunkte für die Entscheidung, welche Abteien dem Reiche gehörten, bei welchen wir demnach auf den Fürstenstand vermuthen dürfen. Es liegt auf der Hand, dass dazu wohl nur Abteien älterer Gründung gehören werden. Seit mit dem Beginne des Investiturstreites das ganze Rechtsverhältniss in Frage gestellt war, hatten der König und das Reioh begreiflicherweise wenig Interesse mehr, geistliche Stiftungen zu gründen und auszustatten, wie das noch unter K. Konrad II. mit der Abtei Limburg, unter K. Heinrich III. mit dem Stifte S. Simon und Judas zu Goslar der Fall gewesen war; selbst die Schenkungen an Reichsabteien mindern sich auffallend; und eben so wenig dürften damals andere geneigt gewesen sein, ihre Abteien dem Reiche zu übertragen. Das

  1. Huillard 2, 284, 285.
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Julius von Ficker: Vom Reichsfürstenstande. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1861, Seite 357. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Vom_Reichsf%C3%BCrstenstande_357.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)