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die Investitur durch Ueberreichung des Stabs an den neugewählten Abt, so zeigt sich der Einfluss der frühern Anschauung wohl in Bestimmungen, bei welchen der Stiftsheilige als Eigenthümer die Investitur ertheilend gedacht wird; der Dekan soll den Stab vom Altare des Stiftsheiligen nehmen und dem Neugewählten überreichen; oder: liberum abbatem illic esse constituimus, ita sane, ut baculum pastoralem super altare accipiat.[1]

Schliesst sich nun die Form der Freiheitsbriefe dieser Klöster noch vielfach dem alten Rechtsverhältnisse an, so liegt offenbar bei allen, auch wenn formell der römischen Kirche das Eigenthum zugesprochen wird, das Wesentliche darin, dass sie bezüglich ihrer Temporalien ganz frei, von jedem weltlichen Herrschaftsverhältnisse gelöst sein sollen; sie werden demnach auch in kaiserlichen Bestätigungsbriefen schlechtweg als abbatiae liberae bezeichnet.[2] Gemeinsam ist weiter allen, dass sie nur unter den Schutz des römischen Stuhls gestellt sind und dafür an diesen eine jährliche Abgabe entrichten; nur vereinzelt scheinen sie auch von dieser befreit gewesen zu sein.[3] In der Petershauser Chronik wird diese Abgabe geradezu als Kennzeichen der freien Abteien hingestellt: monasteria, quae libera vocantur, annuatim Romae aureum nummum quinque solidorum pretium habentem persolvere debent.[4] Ob diese Abgabe als Zins, als Anerkennung des Eigenthums, der erhaltenen Freiheit, des Schutzes, des Gehorsams bezeichnet wird, ob das Eigenthum der römischen Kirche zugesprochen wird, oder nicht, scheint in dem Rechtsverhältnisse keinerlei Unterschied zu begründen; die ganze Klasse wird gemeint sein, wenn etwa 1192 K. Heinrich erklärt: predictum claustrum libertate privilegiatum, sicut et alia claustra sancte Romane et apostolice sedi pertinentia, nec nos nec quempiam alium quicquam iuris in eo habere, preterquam quod nos illud intuitu dei in tuitionem nostram recepimus, oder K. Konrad 1240 bestimmt: ut idem claustrum, sicut et alia cenobia immediate pertinentia Romane sedi, privilegiata libertate gaudeat in eo quod iure advocatitio nec nobis nec alteri cuiquam sit obnoxium aut ratione servitii teneatur.[5] Im Gegensatze zu den königlichen oder Reichsabteien können wir sie demnach kurzweg als römische Abteien bezeichnen.

226Es ist erklärlich, wenn bei den in der nächstfolgenden Zeit gestifteten Prämonstratenserklöstern eine Laienherrschaft in der Regel nicht hervortritt; doch scheinen bezüglich ihrer Temporalien in dem Orden eigenthümliche Bestimmungen nicht bestanden zu haben. Einzelne Klöster wurden in der angeführten Weise dem römischen Stuhle unterworfen [6]; bei anderen wird eines Herrschaftsverhältnisses gar nicht

  1. 1075. 1122: Wirtemb. UB. 1, 277. Hontheim 1, 508.
  2. 1075. 1122: Wirtemb. UB. 1, 277. 351.
  3. Vgl. Muratori ant. 5, 818. 819.
  4. Vgl. Stälin 2, 678.
  5. Wirtemb. UB. 2, 277. Huillard 5, 1202. Aehnlich Huillard 2, 887. 907.
  6. Wirtemb. UB. 2, 69. 216. 219. 277.
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Julius von Ficker: Vom Reichsfürstenstande. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1861, Seite 353. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Vom_Reichsf%C3%BCrstenstande_353.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)