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der ältist – als der jungst und der jungist als der ältist.[1] Stimmte das Privilegium majus, für dessen Entstehung im J. 1359 diese Verhältnisse einen nicht unwichtigen Anhaltspunkt bieten[2], bezüglich der Untheilbarkeit damit überein, so betont es andererseits abweichend ein Vorrecht des Aeltesten: Inter duces Austriae qui senior fuerit dominium habeat dictae terrae, ad cuius eciam seniorem filium dominium iure hereditario deducatur, ita tamen, quod ab eiusdem sanguinis stipite non recedat; nec ducatus Austrie ullo unquam tempore dicisionis alicuius recipiat sectionem. Verräth der Ausdruck duces Austrie, welcher in dieser Beziehung dem zwölften und noch der ersten Hälfte des dreizehnten Jahrhunderts ebenso fremd war, wie die Anschauung einer Theilbarkeit des Herzogthums, dass dem Verfertiger das Verhältniss des Gesammtbesitzes, wie es erst unter den habsburgischen Herzogen hervortritt, bekannt war, so ist das auch das einzige, was an ein Anrecht auch der jüngeren Brüder auf das Herzogthum erinnert; in allen andern Bestimmungen des Privilegs ist nur von einem dux Austrie die Rede, wie das einerseits dem echten Vorbilde entsprach, andererseits den Bestimmungen der hier so vielfach beachteten goldenen Bulle über die Untheilbarkeit und Primogeniturerbfolge der Kurländer. Das in Oesterreich vollständig durchzufahren war nicht wohl möglich bei der festgewurzelten Anschauung von der gleichen Berechtigung aller Brüder, gegen welche sich auch die Bestimmungen K. Rudolfs vom J. 1283, wonach Oesterreich nur dem ältesten der beiden 1282 belehnten Söhne und seinem Erben zustehen sollte, kaum geltend machen liessen; in dem Hausgesetze von 1364 wurde es dann versucht, beide Anschauungen mit einander zu vereinen. Die Brüder verpflichten sich, alle ihre Länder und Fürstenthümer nicht zu theilen, sondern einträchtig miteinander zu besitzen; aber dieser Lande soll ie der ältist unter uns die obersten herschaft und den grösten gewalt haben und sollen doch der land aller ungeteilt, gleich und gemeine herrn sein, einer als der ander unverschaidentlich; es werden weiter eine Reihe Vorrechte, welche dem Aeltesten zustehen sollen, aufgeführt, darunter auch das, dass er alle Lehen vom Reiche und von Kirchen zu aller Nutzen zu empfangen habe; daneben finden sich dann wieder manche von der Anschauung der Gleichberechtigung ausgehende Bestimmungen; so bezüglich des Titels: darumb sollen wür alle drei einen gleichen titul haben und soll sich unser jeder besonder schreiben nach den landen allersambt, jegliches in seinem nomen, in aller der masse, als ob sie alle sein besunder weren ane alles geverde.[3] Dieser eigenthümliche Versuch verfehlte nun nicht allein seinen Zweck, die Hauptgewalt dem Aeltesten zuzuwenden, sondern dürfte sogar nicht wenig dazu beigetragen haben, dass sich nicht einmal das Verhältniss des Gesammtbesitzes aufrecht erhalten liess. Denn nach Rudolfs Tode drang der jüngste der überlebenden

  1. Steyerer 185.
  2. Vgl. Huber, Entstehungzeit d. österr. Freiheitsbr. 20.
  3. Steyerer 401.
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Julius von Ficker: Vom Reichsfürstenstande. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1861, Seite 261. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Vom_Reichsf%C3%BCrstenstande_289.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)