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den Grafentitel führen; Heinrich von Medling, Sohn des 1177 verstorbenen Herzog Heinrich von Oesterreich, heisst Bruder des Herzogs, Herr oder vereinzelt auch Herzog[1]; in Steier finden wir 1186 Leopold, einfach als Bruder des Herzogs bezeichnet.[2]

Im meissnischen und brandenburgischen Hause war es schon hergebracht, dass die jüngeren Söhne den Grafentitel erhielten; nach den Erledigungen von 1190 erscheint der jüngere Bruder des Markgrafen von der Lausitz als Dietrich Graf von Groitsch oder Sommerseburg, welcher 1207 kinderlos stirbt, des Markgrafen von Meissen als Dietrich Graf von Weissenfels, bis er 1198 selbst die Mark erhält. In Brandenburg erscheinen seit 1184 von den jüngern Söhnen Heinrich als Graf von Gardelegen, welcher 1188 geistlich wurde, Albrecht als Graf von Arneburg, welcher 1205 nach dem kinderlosen Tode des Bruders selbst Markgraf wird. Dass die Stellung der gräflichen Nebenlinien der grossen sächsischen Häuser sich von der der jüngern Söhne der lothringischen Fürstenhäuser nicht bloss im Titel unterschied, ergibt sich leicht; waren in Lothringen die jüngern Brüder Vasallen des Fürsten, so ergibt sich in Sachsen keine Abhängigkeit; wussten wir für die lothringischen Nebenlinien nicht einmal die Ehrenvorzüge der Fürstengenossen nachzuweisen, so treten diese bei den Nebenlinien der Häuser Wettin und Askanien am bestimmtesten hervor[3]; und schien in Sachsen schon der ältere Fürstenstand ein enger geschlossener, so gehören ihm doch gerade diese Nebenlinien unzweifelhaft an.[4] War so die Stellung der jüngern Söhne hier von vornherein eine günstigere, so erklärt sich der weitergehende Unterschied der spätern Entwicklung um so leichter.

Braunschweig gehört eigentlich nicht hieher, da es vor 1235 nicht Reichsfürstenthum war. Für die ganze Entwicklung sind aber die braunschweigischen Erbfälle sehr beachtenswerth. Ein Unterschied von den Fürstenthümern zeigt sich darin, dass nach dem Tode Heinrichs des Löwen 1195 alle drei Söhne als gleichberechtigt betrachtet werden und 1203 das ganze Erbe theilen. Wären nun alle wieder mit mehreren Söhnen gesegnet gewesen, so wäre hier früh eine völlige Zersplitterung eingetreten, es würde gar keine genügende Veranlassung zur Errichtung eines neuen Reichsfürstenthums vorhanden gewesen sein; dafür war unzweifelhaft entscheidend, dass seit 1227 der Mannsstamm des Hauses auf zwei Augen stand.

Im Hause von Meran war nur 1204 ein jüngerer Sohn abzufinden, für welchen der Titel eines Markgrafen von Istrien zu Gebote stand, wenn wir ihn auch nicht als Reichsfürsten betrachten dürfen[5]; er starb 1228 kinderlos.

  1. Vgl. § 149 n. 7. 8.
  2. UB. d. L. ob d. Enns 8, 404.
  3. Vgl. § 187.
  4. Vgl. § 58.
  5. Vgl. § 144.
Empfohlene Zitierweise:
Julius von Ficker: Vom Reichsfürstenstande. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1861, Seite 249. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Vom_Reichsf%C3%BCrstenstande_277.jpg&oldid=- (Version vom 5.8.2019)