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zwölfte Jahrhundert fallenden Scheidung des bergisch-altenaischen Hauses in mehrere gräfliche Linien abzusehen ist. Auch dann, wenn die jüngern Söhne zur Bezeichnung ihrer Abstammung den Namen der Grafschaft fortfuhren, nennen sie sich Herren nicht von dieser, sondern von den ihnen zugefallenen Besitzungen; so 1283: H. de Monte, dominus de Windecgin oder 1287: Florens de Haynnau, sires de Brayne et de Hal, beide Brüder der Grafen von Berg und Hennegau.[1] Um die Mitte des vierzehnten Jahrhunderts legt Levold von Northof in der seiner Chronik vorgesetzten Zuschrift an den Grafen Engelbert von der Mark diesem aufs eindringlichste ans Herz, ut ipsius comitatus de Marka unitas indivisibiliter conservetur, videlicet ut castra, iuredictiones et districtus per unum tantummodo et non per plures comites gubernentur, und begründet das durch eine Erörterung der Nachtheile der Theilungen, der Vortheile der Unteilbarkeit; er erzählt dann, wie nach dem Tode des Grafen Adolf der Junker Eberhard gebeten habe, sibi portionem condividi comitatus, von der versammelten Ritterschaft aber der Bescheid erfolgt sei: quod praedicto domicello Everhardo de bonis et reditibus comitatus de Marka, talis et tanta portio – daretur et assignaretur, sicut deceret et de qua posset et deberet merito contentari; – sed quod comitatus de Marka in castris, munitionibus et in reditibus scinderetur vel partiretur, in hoc non consentiebant, sed volebant, ut comitatus ipse indivisus maneret et eius regimen apud unum tantummodo comitem maneret, cui fidelitatem tenerentur praestare.[2] Dieser Brauch setzte sich dann auch fort, als Jülich, Geldern, Luxemburg, Pont a Mousson oder Bar[3], Berg und Kleve später zu Fürstenthümern erhoben waren; wir finden immer nur einen Fürsten, etwaige jüngere Brüder desselben, welche Laien blieben, führen nur den Herrentitel. Dass dieser Brauch das Aussterben der Häuser, obwohl mehrmals Bischöfe ihr Stift resignirten, um den Stamm fortzusetzen, beschleunigte und die Vereinigung der burgundischen und niederrheinischen Länderkomplexe wesentlich förderte, wird kaum eines Hinweises bedürfen.

Da in andern deutschen Reichsländern sich dieses Verhältniss durchweg abweichend gestaltete, so haben wir in jenem Brauche wohl ein eigentümliches lotharingisches Landesherkommen zu sehen, wobei sich dann zugleich, wie auch bei andern Verhältnissen, ein engerer Zusammenhang mit Flandern und den Ländern französischer Zunge ergibt. Für Flandern bezeugt das ausdrücklich die bekannte Stelle des Lambert zum J. 1071: In comitatu Balduwini eiusque familia id multis jam seculis servabatur quasi sancitum lege perpetua, ut unus filiorum, qui patri potissimum placuisset, nomen patris acciperet et

  1. Ernst 6, 312. Mieris 1, 470.
  2. ed. Tross. 26. 32.
  3. Graf Robert von Bar, Markgraf v. Pont a Mousson, wurde nicht vom Kaiser, sondern nach der 1'art de verif. l. dates 13, 439 vom Könige von Frankreich 1355 zum Herzoge von Bar erhoben, wonach § 80 n. 4 zu berichtigen.
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Julius von Ficker: Vom Reichsfürstenstande. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1861, Seite 242. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Vom_Reichsf%C3%BCrstenstande_270.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)