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durchweg nach und nicht selten auch anderen Edelherren[1], welchen gegenüber ihr Burggrafentitel keinerlei Vorrang begründet zu haben scheint. Die Burggrafschaft scheint kurz nach 1403, wo zuletzt ein Burggraf erwähnt wird, sei es durch Kauf, sei es durch Aussterben des Geschlechts dem Stifte ledig geworden zu sein[2]; Stromberg tritt wenigstens seitdem ganz in die Reihe der andern Landesburgen und wurde Sitz eines bischöflichen Amtes, welches aber keineswegs etwa aus einer territorialen Burggrafschaft, wie man später annahm, entstanden ist; eine solche hat es vielmehr, wie wir später nachweisen werden, niemals gegeben.

Die einzige Veranlassung für die Annahme einer Reichsburggrafschaft Stromberg gab wohl die Spielerei der Quaternionen des Reichs, wonach je vier Mitglieder jedes Standes als besondere Stützen des Reichs einen Vorrang behaupten sollten. So weit ich sehe, ist der erste Publizist, welcher sie erwähnt, Peter von Andlo[3] zur Zeit K. Friedrich IV.; doch dürfte die Zusammenstellung mindestens bis auf den Anfang des Jahrhunderts zurückgehen, da sonst Savoyen und Kleve, welche 1416 und 1417 zu Herzogen erhoben wurden, schwerlich als Vertreter der Grafen erscheinen würden. Darauf scheinen sich schon die Burggrafen von Meissen gestützt zu haben, indem sie sich 1480 in einer, vielleicht überhaupt untergeschobenen Urkunde vom Kurfürsten von Brandenburg bescheinigen liessen, dass das römische Reich vor vielen hundert Jahren auf sechszehn Fürstentümern gegründet sei, nämlich vier Herzogtümern, vier Markgrafschaften, vier Landgrafschaften und vier Burggrafschaften, von welchen die Burggrafschaft Meissen eine sei.[4] Es liegt auf der Hand, dass hier die Theorie für den Einzelfall zurechtgelegt ist. Ein Zusammenhang mit dem Fürstenthume, worauf es hier abgesehen scheint, tritt sonst nicht hervor, da es ja auch Quaternionen von Edlen, Rittern, Städten und Bauern gibt. Weiter gehört auch nach den gewöhnlichen Verzeichnissen Meissen nicht zu dem burggräflichen Quaternio; Peter von Andlo, wie Spätere, nennen Nürnberg, Magdeburg, Stromberg und Rheineck.

Die Publizisten waren uneinig, wo die Reichsburggrafschaft Stromberg zu suchen sei. Viele bezeichneten die pfälzische Burg Stromberg auf dem Hundsrück[5], von der aber gleichfalls kaum zu erweisen sein dürfte, ob sie jemals Reichsburg gewesen sei[6]; auch sind mir Burggrafen von ihr nicht bekannt; Ritter von Stromberg, welche ich in einer 1217 für Kreuznach gegebenen mainzischen Urkunde finde[7], mögen sich nach ihr genannt haben. Es dürfte allerdings wahrscheinlich sein, dass man schon anfangs dabei an das münsterische Stromberg dachte, welches durch die Fehden des als Landfriedensbrechers geächteten

  1. z.B. 1217; Ficker Engelbert 319.
  2. Vgl. Seibertz Dynasten 225.
  3. De imperio Romano l. l. c. 16. Vgl. Vitr. ill. 2, 1125.
  4. Vitr. ill. 2, 704. Vgl. Märcker 368.
  5. Vitr. ill. 2, 698.
  6. Vgl. Tolner 83.
  7. Günther 2, 541.
Empfohlene Zitierweise:
Julius von Ficker: Vom Reichsfürstenstande. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1861, Seite 243. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Vom_Reichsf%C3%BCrstenstande_243.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)