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Kennzeichen des Fürstenstandes nicht nachzuweisen. Bevorzugt vor andern Grafen erscheinen sie allerdings dadurch, dass sie in der Zeugenreihe gewöhnlich unmittelbar auf die Fürsten folgen; so 1203 Groitsch[1], 1220, wo sogar Baden und Limburg nachstehen, und 1221 Brene[2], 1216 und 1234 Orlamünde[3]; doch finden wir letzteres auch wohl nicht allein mächtigern Magnaten, so 1235 dem Markgrafen von Baden[4], sondern auch einfachen Grafen nachstehen[5]; und heisst der Graf nicht selten illustris, so wird er in andern Urkunden auch wieder einfach zu den nobiles gerechnet.[6] Den Ausdruck der Vorrede von der Herren Geburt erklärt es aber wohl genügend, wenn es in der Glosse zum Sachsenspiegel heisst: Wen brüdere deilen, wi dit forstendom beholt, di wert des rikes forste, unde die ander ein slicht forste, den heiten wi forste genot.[7] Erklärt die Stellung des Fürstengenossen einen Vorzug vor andern Grafen hinlänglich, so wird es uns andererseits nicht an weiteren Belegen fehlen, dass der Fürstengenosse nicht als Reichsfürst betrachtet wurde.

Was die Grafen von Flandern betrifft, so führten wir bereits an, 158 dass Graf Philipp sich 1184 selbst als princeps imperii bezeichnet.[8] Die spätere Stellung kann aber doch zweifelhaft erscheinen. In den eigenen, wie in den Urkunden benachbarter Fürsten heissen die Grafen bald illustres, bald nobiles. In Kaiserurkunden steht der Graf 1185 vor Rheinpfalz, 1227 vor Kärnthen[9]; 1227 heisst er illustris, aber 1220 nur nobilis.[10]

Verspricht 1258 K. Richard illustri dominae Margarethae Flandriae et Hannoniae comitissae, die von seinem Vorgänger erlassene sententiam abjudicationis et privationis principatus et feodorum ipsius, quae ab imperio tenuit, zu widerrufen[11], und bekundet derselbe 1260: quod nos illustris M. Flandriae et Hannoniae comitissae dilectae principis nostrae – sollempniter recepto homagio, eandem comitissam tanquam veram nostram et sacri Romani imperii principem sollempniter investimus[12], so ist damit allerdings der Reichsfürstenstand aufs bestimmteste anerkannt. Wird mehrfach auf eine Stelle hingewiesen, in welcher es heisst, dass K. Richard 1262 Margarethens Sohn Guido belehnte: ac principem salutavit sacri imperii, so wird man darin weder, wie wohl geschehen, das erste Beispiel der Fürstung eines Grafen, noch einen genügenden Beleg für den Fürstenstand überhaupt sehen dürfen, da sie einer Chronik des sechszehnten Jahrhunderts entnommen ist[13] und die Urkunde, nach

  1. Reg. Phil. n. 49.
  2. Huillard 1, 782. 2, 162.
  3. Huillard 1, 487. 577. 4, 632.
  4. Huillard 4, 794.
  5. Huillard 3, 343. Reg. Rud. n. 1140.
  6. z. B. Wilkii Tic. 103. 195.
  7. Gl. zu Ss. Ldr. 3, 58.
  8. Vgl. § 30 n. 4.
  9. Lacombl. 1, n. 495. Huillard 3, 311.
  10. Huillard 3, 308. 1, 821.
  11. Gebauer 363.
  12. Warnkönig 1, 98.
  13. Meier ann. rr. Belgic. nach Gebauer 520. Vgl. Gebhardi 1, 220. Pütter Entwicklung 1, 268.
Empfohlene Zitierweise:
Julius von Ficker: Vom Reichsfürstenstande. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1861, Seite 205. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Vom_Reichsf%C3%BCrstenstande_233.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)