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aber andererseits würden wir irren, wollten wir italienischen Grossen desshalb die Fürstenwürde zusprechen, weil wir sie in Urkunden unmittelbar hinter den deutschen Fürsten vor den deutschen Magnaten finden; wir werden sehen, dass das auch bei solchen dann und wann der Fall war, welche sich anderweitig aufs entschiedenste als Magnaten erweisen lassen. Es dürfte sich überhaupt bemerken lassen, dass bei den Zeugen von den weltlichen Fürsten abwärts, bei Magnaten und Ministerialen, die Regeln der Rangordnung häufiger ausser Acht gelassen werden, als bei den höhern Zeugenklassen.

Dagegen dürfen wir wohl unter allen Umständen, so lange die Rangordnung noch irgendwie beachtet ist, annehmen, dass italienische oder burgundische Magnaten einem deutschen Fürsten niemals vorgestellt werden; so häufig wir auch alle Regeln verletzt finden, von dieser wüsste ich kaum eine Ausnahme anzuführen, als dass 1210 Savoyen, und zwar auffallenderweise mit dem Herzogstitel, dem Herzoge von Kärnthen vorgestellt ist. [1] Danach werden wir einerseits einem deutschen Grossen, welcher nicht allein deutschen, sondern auch nichtdeutschen Magnaten nachgestellt ist, um so sicherer den Fürstenstand absprechen dürfen; fänden wir andererseits burgundische oder italienische Grosse vor deutschen Fürsten, so würden wir darin ein um so zuverlässigeres Kennzeichen des Fürstenstandes erblicken müssen. Für die Zeit des ältern Fürstenstandes mag es beachtenswerth sein, dass wir 1162 die Markgrafen von Montferrat, Malaspina und Savona zwar hinter den Grafen von Pfullendorf, Lenzburg, Magdeburg, Leiningen, aber vor den deutschen Edeln finden [2], also diese von den Fürsten in früherem Sinne trennend.


XIII.

134 Die bisher erörterten ganz äusserlichen und daher von jeder vorgefassten Meinung über das Wesen und die Bedeutung des Reichsfürstenstandes unabhängigen Kennzeichen werden es uns nun gestatten, die einzelnen Fürsten nachzuweisen; in den bei weitem meisten Fällen wird sich nach ihnen mit genügender Sicherheit entscheiden lassen, ob der einzelne zu den Fürsten zählte, oder nicht. Erweisen sie sich im allgemeinen weniger ausreichend für die genaue Abgränzung der geistlichen Reichsfürsten, wird es bei diesen zweckmässig sein, noch ein anderes Moment von vornherein zu berücksichtigen, so veranlasst uns das, von der hergebrachten Rangordnung absehend uns zunächst mit den weltlichen Grossen zu beschäftigen.

Was die weltlichen Reichsfürsten betrifft, so glaubten wir in der Zeit des ältern Fürstenstandes allen denjenigen den Fürstenstand zusprechen zu müssen, welche einen Amtstitel bis einschliesslich zu dem

  1. Reg. Ott. n. 137.
  2. Muratori ant. 4, 256.
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Julius von Ficker: Vom Reichsfürstenstande. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1861, Seite 214. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Vom_Reichsf%C3%BCrstenstande_214.jpg&oldid=- (Version vom 11.9.2016)