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vorkommen, dass aber in den Fällen, wo auch solche Aebte vorkommen, welche nur zu den Prälaten gehörten, diese ihnen nachstehen. Aebte, deren Stand uns etwa zweifelhaft wäre, welche wir aber in Kaiserurkunden erweislichen Fürstäbten vorgestellt finden, werden wir gleichfalls für Fürsten halten dürfen. So ist in Kaiserurkunde von 1162 die Ordnung der Aebte: Hersfeld, Reichenau, Stablo, S. Gallen, Morbach, Selz, Weissenburg, Lorsch[1]; da der letztgenannte unzweifelhaft Reichsfürst war, so müssten es nach unserer Voraussetzung auch alle vor ihm genannten sein; und für alle würde sich das wirklich auch anderweitig erweisen lassen. Im dreizehnten Jahrhunderte ist mir davon nur 1213 eine sichere Ausnahme aufgefallen, wo der nicht als Fürst zu erweisende Abt von Salem vor denen von S. Gallen und Reichenau steht.[2]

Würden die Aebte so oft und zahlreich in den Kaiserurkunden vorkommen, wie die Bischöfe, so würde es kaum schwer sein, nach diesem Kennzeichen die Reihe der Fürstäbte, welche uns nach andern nur theilweise bekannt ist, genau zu bestimmen; aber Reihen, wie die oben angeführte, sind Ausnahmen; es sind gewöhnlich nur einige der angesehensten, welche wir finden; eine grosse Anzahl und insbesondere die Aebtissinnen, sind fast gar nicht in Kaiserurkunden nachzuweisen. Seltener noch werden wir Gelegenheit finden zu dem umgekehrten Schlusse, der Abt, welcher einem andern erwiesenermassen nur zu den Prälaten gehörigen nachsteht, kann nicht Fürst sein; von den nichtfürstlichen Aebten erscheinen überhaupt nur einzelne dann und wann am königlichen Hofe; auch scheint man sie in der Regel nicht in die Zeugenreihe aufgenommen zu haben; 1234 waren auf dem Hoftage zu Frankfurt eine grosse Menge nichtfürstlicher Aebte auf besondere Veranlassung anwesend; in einer Urkunde sind auch neun von ihnen als Zeugen aufgeführt; dagegen in den andern damals ausgestellten lediglich die Fürstäbte.[3]

126 Würde die Stellung der weltlichen Grossen in ähnlicher Weise durch die Amtstitel bestimmt sein, wie die der geistlichen, so würden sich für unsern Zweck nur ungenügende Resultate daraus ergeben können, da uns bereits die früheren Erörterungen lehrten, dass der Fürstenstand keineswegs immer mit dem höheren Amtstitel verbunden war. Das war aber keineswegs der Fall, wie uns jedes Urkundenbuch lehrt. Der Gesichtspunkt der Anordnung musste demnach ein anderer sein. Vergleichen wir die Zeugenreihen in Urkunden, in welchen die Principes und Illustres von den Spectabiles und Nobiles bestimmt geschieden sind, mit solchen, bei welchen eine ausdrückliche Scheidung nicht eintritt, so überzeugen wir uns bald, dass auch in diesen die Fürsten den Magnaten ohne alle Rücksicht auf die Amtstitel vorgestellt sind; um auch diese für unsern Zweck benutzen zu können,

  1. Muratori ant. It. 6, 57.
  2. Huillard 1, 257.
  3. Reg. Henr. r. n. 313.
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Julius von Ficker: Vom Reichsfürstenstande. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1861, Seite 178. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Vom_Reichsf%C3%BCrstenstande_206.jpg&oldid=- (Version vom 24.7.2016)