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spätern Rangstreitigkeiten wurde wohl darauf hingewiesen.[1] Insbesondere ist jenes der Fall beim Reichskanzler. In früherer staufischer Zeit pflegte dieser nicht zugleich Bischof zu sein; wir finden ihn dann gewöhnlich hinter den Bischöfen und Fürstäbten an der Spitze der übrigen Geistlichen, ausnahmsweise auch wohl Fürstäbten vorgestellt.[2] Seit dem Ende des zwölften Jahrhunderts sind die Kanzler zugleich Bischöfe; Konrad von Würzburg und Hildesheim unter K. Philipp, Konrad von Speier und Metz, dann Sifrid von Regensburg unter K. Otto und K. Friedrich eröffnen zu oft die Reihe der Bischöfe oder stehen doch nur Bamberg nach, als dass das Zufall sein könnte; von unsere Vergleichungen gibt ein Beispiel für jenes der Tag von Frankfurt 1220, für dieses der Tag von Ravenna 1231 und der von Wien 1237. Am auffallendsten ist die Stellung des Kanzlers auf dem Römerzuge 1220, wo er nur einigemal dem Patriarchen, nie aber einem andern Fürsten nachsteht und je einmal selbst dem Patriarchen und dem Erzbischofe von Mainz vorsteht.[3] Sein auffallend seltenes Vorkommen in der Zeugenreihe dürfte hier vielleicht aus Rangstreitigkeiten zu erklären sein.

Für eine ähnliche Bevorzugung der Reichslegaten spricht in unsern Vergleichungen die Stellung des Bischofs von Turin, Legaten in Italien, auf dem Römerzuge 1220; er steht immer an der Spitze der italienischen Bischöfe, von welchen in unsere Vergleichungstafel nur einige aufgenommen sind; vereinzelt geht er sogar den deutschen Bischöfen vor. Ebenso steht auf dem Römerzuge 1210 der Bischof von Mantua als imperialis curie vicarius mit nur einer Ausnahme[4], so weit ich sehe, immer den italienischen Bischöfen, einmal sogar dem Erzbischofe von Ravenna[5] vor. Demselben Gesichtspunkte verdankt es wohl der Legat Gebhard von Arnstein, dass er in einigen 1231 zu Ravenna ausgestellten Urkunden allen Grafen vorsteht.

Oft beobachtet wurde unzweifelhaft der Gesichtspunkt, dass der Ort der Ausstellung einen Vorrang für den Bischof bestimmte, in dessen Sprengel er lag. Wir sahen schon oben, dass der Erzbischof von Köln sein Vorrecht bei der Königskrönung auf den Ort gründete[6]; auch nach der goldenen Bulle hatte er zu Köln selbst, dann in Italien, seinem Sprengel als Erzkanzler, den Vorrang vor Mainz. Lambert erzählt bei Gelegenheit eines Tages zu Goslar 1063, es sei uraltes Reichsherkommen, dass der Abt von Fulda immer dem Erzbischöfe von Mainz zunächst sitze: sed episcopus (Hildenesheimensis) causabatur, neminem sibi intra diocesim suam post archiepiscopum debere praeferri.[7] Das macht sich denn auch bei der Zeugenstellung geltend; wir erwähnten bereits Fälle, dass es auf die Stellung der Erzbischöfe von Einfluss war, dass der Ortsbischof sogar Erzbischöfen vortrat.[8]

  1. Moser 35, 528.
  2. 1164: Muratori ant. It. 4, 258.
  3. Vgl. § 116 n. 6. 9. 10. 8.
  4. Reg. Ott. n. 109.
  5. Mittarelli 4 , 303.
  6. Vgl. oben n. 4.
  7. M. G. 7, 163.
  8. Vgl. § 123. 122.
Empfohlene Zitierweise:
Julius von Ficker: Vom Reichsfürstenstande. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1861, Seite 176. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Vom_Reichsf%C3%BCrstenstande_204.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)