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bestätigt gefunden, dass diejenigen Laien, welche in Urkunden, in welchen Grafen auf die Prälaten folgen, diesen vorgehen, solche sind, über deren Fürstenstand wir nach allen andern Kennzeichen nicht in Zweifel sein können; so Schwaben, Sachsen, Meissen, Lausitz, Rheinpfalz, Baiern, Oesterreich, Meran, Brabant, Kärnthen, Thüringen, Brandenburg.[1] Nur einmal finde ich in solchem Falle neben Baiern und Thüringen auch einen Grafen, den von Anhalt, mehreren Pröbsten vorstehen[2]; das ist nun aber auch gerade ein Graf, bei welchem sich zahlreiche andere Kennzeichen des Fürstenstandes finden. Erscheint dagegen in derselben Urkunde der Markgraf von Vohburg, oder in andern der Pfalzgraf von Baiern[3] oder der Burggraf von Nürnberg[4] durch Prälaten von den Fürsten getrennt, so dürfen wir auch wohl sicher annehmen, dass sie nicht fürstlichen Standes waren.

Die Zahl der Urkunden, welche eine solche Anordnung zeigen, ist freilich nicht so gross, um erhebliche Ausbeute zu gewähren; Abweichungen von der Regel habe ich aber nach Berücksichtigung aller andern Kennzeichen des Fürstenstandes in ihnen kaum gefunden. Denn erscheint 1215 der Pfalzgraf von Tübingen, unbezweifelt nur Magnat, vor dem Fürstabt von Elwangen, während Grafen auf ihn folgen[5], so liegt eine völlige Regellosigkeit vor, da der Abt jedenfalls auch einem Laienfürsten bei Beachtung der Rangverhältnisse hätte vorstehen müssen. Bedenklicher ist es, wenn 1232 der Markgraf von Baden und der Herzog von Limburg, welche sich als Magnaten erweisen werden, durch Pröbste von den Grafen getrennt sind[6]; der Amtstitel dürfte den Ausschlag gegeben haben.

122Gehen wir auf die Anordnung der Klassen der Geistlichen über, so ergibt sich bald, dass dieselbe mit wenigen Ausnahmen wesentlich nach kirchlichen Gesichtspunkten erfolgte und demnach für unsern Zweck wenig Werth haben kann.

Die Kardinäle der römischen Kirche behaupten in der Regel den Vorrang vor allen geistlichen Reichsfürsten; wir fanden bereits auf dem Tage zu Köln 1138 den Kardinalbischof Dietwin regelmässig vor den Erzbischöfen von Köln und Trier[7]; sogar den Patriarchen von Aglei finden wir 1207 zwei Kardinälen nachgestellt.[8] Doch ist auch das nicht ausnahmslos; insbesondere dürfte sich für Kardinalpriester und Kardinaldiakonen kaum ein durchgreifender Vorzug geltend machen lassen; wir finden solche 1196 unter den Erzbischöfen[9], 1139 und 1196 zwischen Erzbischöfen und Bischöfen[10], 1130 und 1153 hinter allen Bischöfen, nur vor den Aebten.[11]

  1. 1182: Wenck 2, 115. 1188: Lüb. UB. 1, 12. 1192: M. B. 29, 466. Reg. Phil. n. 26. 1226: Huillard 2, 877. Reg. Rud. n. 557. 1083. Albr. n. 364.
  2. 1223: Huillard 2, 779.
  3. 1217: Meiller 121.
  4. Huillard 2, 877. Reg. Rud. n. 557. 1083.
  5. Huillard 1, 370.
  6. Huillard 4, 580.
  7. Vgl. [[Vom Reichsfürstenstande/Rangordnung der Zeugen#116|§ 116] n. 2.
  8. Reg. Phil. n. 110.
  9. Savioli 2, 192.
  10. Lappenberg 146. Huillard 2, 563.
  11. Boysen Magazin 2, 15. Margarin 2, 171.
Empfohlene Zitierweise:
Julius von Ficker: Vom Reichsfürstenstande. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1861, Seite 170. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Vom_Reichsf%C3%BCrstenstande_198.jpg&oldid=- (Version vom 6.5.2018)