Seite:Ficker Vom Reichsfürstenstande 193.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

zu ziehen, sondern das nur in einzelnen Fallen erschweren, im allgemeinen zur Vorsicht auffordern. Werden in hunderten von Urkunden alle italienischen Bischöfe den deutschen nachgesetzt, während in einigen wenigen, und dann gewöhnlich solchen, bei welchen sich noch andere Verletzungen der Rangordnung zeigen, das nicht beachtet wird, so wird uns das doch schwerlich etwa von der Folgerung abhalten dürfen, dass der Bischof von Trient nicht zu den italienischen Reichsständen gezählt wurde, da er sehr häufig deutschen Bischöfen vorsteht. Umgekehrt würde es freilich durchaus unzulässig sein, etwa nach der Stellung eines Zeugen in einer einzelnen Urkunde über dessen Rang ein sicheres Urtheil fällen zu wollen oder aus Verstössen gegen die Rangordnung allein auf Unechtheit einer Urkunde schliessen zu wollen.

117Diese Fahrlässigkeiten würden uns im allgemeinen bei weiterm Vorgehen weniger beirren; sobald wir es nicht mit einzelnen Urkunden, sondern mit Urkundenreihen zu thun haben, ergibt sich bald, wo wir es mit einer regelrechten, wo mit einer fahrlässigen Anordnung zu thun haben; das allein würde uns nicht hindern, eine allgemeine Rangliste der Fürsten aufstellen zu können. Wichtiger ist ein anderes, nämlich das unverkennbare Schwanken der Regel selbst, welches durch ein Durchkreuzen verschiedener Gesichtspunkte bei der Zeugenordnung bedingt war. Wir finden ein und dieselbe Person häufig in ganz verschiedener Stellung, und doch so, dass sich im einen, wie im andern Falle ein vollkommen genügendes Motiv gerade für diese Stellung ergibt; der Rang ist nicht unbeachtet geblieben, aber er ist nach ganz verschiedenen Gesichtspunkten bestimmt.

Es ergibt sich das sehr bald, wenn wir uns nicht, wie bisher, auf die Vergleichung der Zeugenreihen eines einzelnen Hoftages beschränken. Der Patriarch von Aglei steht auf dem Römerzuge und in Wien vor allen geistlichen Fürsten, selbst vor Mainz, unzweifelhaft wegen der höhern kirchlichen Würde; zu Ravenna dagegen behauptet Mainz den Vorrang, was sich aus seiner Stellung als erster Reichsfürst eben so wohl erklärt. Den Reichskanzler finden wir auf dem Römerzuge, obwohl er nur Bischof war, nie einem Erzbischofe nachgestellt, einmal sogar vor Mainz; zu Frankfurt ist er wenigstens nie einem Bischofe nachgestellt; dagegen behauptet zu Ravenna und Wien der Bischof von Bamberg aufs entschiedenste den Vorrang vor ihm.

Dasselbe Schwanken ergibt sich aber auch für einzelne Urkundenreihen, bei welchen im allgemeinen der Rang sorgfältig beachtet ist. Auf dem Römerzuge steht Turin als italienischer Bischof in der Regel hinter den Deutschen; vereinzelt tritt er allen vor, unzweifelhaft als Legat in Italien. Ebenso steht zu Ravenna der Legat Gebhard von Arnstein bald vor, bald hinter den Grafen. Der Bischof von Trient tritt als deutscher Fürst auf dem Römerzuge den italienischen Bischöfen vor; von kirchlichem Gesichtspunkte steht er ihnen als nur Erwählter nach. Stehen ebendort die italienischen Bischöfe in der Regel allen

Empfohlene Zitierweise:
Julius von Ficker: Vom Reichsfürstenstande. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1861, Seite 165. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Vom_Reichsf%C3%BCrstenstande_193.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)