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Als Resultat dieser Vergleichungen ergibt sich zunächst, dass bis zu einem gewissen Grade die Rangordnung überall eingehalten wurde, insofern die verschiedenen Klassen der Grossen auseinandergehalten und nach ihrem Range geordnet erscheinen; wir finden die Geistlichen vor den Laien, die Deutschen vor den Italienern, die Erzbischöfe vor den Bischöfen u. s. w.

Es ist aber weiter nicht zu bezweifeln, dass es Regeln gab, welche es gestatteten, jedem einzelnen der auf einem Hoftage anwesenden Grossen die ihm gebührende Stellung in der Zeugenreihe anzuweisen. Dafür geben insbesondere die grosse Zahl der auf dem Hoftage zu Ravenna ausgestellten Urkunden den schlagendsten Beleg; die Reihefolge der Erzbischöfe zeigt nur zweimal eine Abweichung; die Bischöfe von Bamberg und Regensburg, obwohl sie 21mal, die Herzoge von Sachsen, Meran und Kärnthen, obwohl sie 24mal neben einander vorkommen, behaupten immer unter sich, wie unter der Gesammtmasse der Zeugen dieselbe Stellung; dasselbe ist bei andern, nicht so häufig vorkommenden Zeugen der Fall. Auch mehrere der andern Vergleichungstafeln bieten dafür die auffallendsten Belege; der Vorrang des Herzogs von Baiern vor allen weltlichen Zeugen, ausser dem Könige von Böhmen, zu Frankfurt, auf dem Römerzuge, zu Wien ist in sämmtlichen 47 Urkunden, in welchen er vorkommt, ausnahmslos beachtet; in der Stellung der vier Bischöfe zu Wien findet sich nur zweimal eine Abweichung. Von Zufall kann dabei nicht die Rede sein; die Stellung der Einzelnen ist eine festbestimmte; die vereinzelten Abweichungen können nur als Unregelmässigkeiten aufgefasst werden.

Dass für die Anordnung feste Regeln bestanden tritt noch bestimmter hervor, wenn wir einen schon berührten Umstand beachten, welcher auch im dreizehnten Jahrhunderte wieder recht auffallend hervortritt, dass nämlich häufig zwei Grosse im Rang dadurch gleichgestellt werden, dass sie zwar in ihrer Stellung zu einander wechseln, gesammt aber allen andern Zeugen gegenüber ihre Stellung behaupten. Auffallende Beispiele bieten zu Frankfurt Köln und Trier, Thüringen und Brabant; auf dem Römerzuge Augsburg und Passau, Brixen und Trient, der Marschall und der Truchsess; zu Worms Chur und Augsburg; zu Ravenna Würzburg und Worms, Brixen and Osnabrück; zu Wien Kärnthen und Thüringen, Hohenlohe und Nürnberg; weniger auffallende würden sich ausserdem noch zahlreich finden. Beispiele solchen Alternirens, so zwischen Brixen und Basel, bietet auch die Ordnung der spätern Reichstage.

Dass eine solche Gleichstellung im Range auch für mehr als zwei Grosse stattgefunden habe, nöthigt uns wenigstens bezüglich der angesehenern Zeugenklassen keine der angestellten Vergleichungen, so weit dieselben überhaupt eine genauere Beachtung der Rangordnung ergeben. Für jeden einzelnen der auf dem Hoftage zu Ravenna anwesenden Erzbischöfe, deutschen Bischöfe und weltlichen Fürsten lässt sich mit

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Julius von Ficker: Vom Reichsfürstenstande. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1861, Seite 163. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Vom_Reichsf%C3%BCrstenstande_191.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)