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des dreizehnten Jahrhunderts sind die Zeugenreihen in den Kaiserurkunden, welche hier den Hauptausgangspunkt bilden, nur selten nach Ständen scharf geschieden; ist das späterhin häufiger der Fall, so finden wir dafür verhältnissmässig weniger Urkunden mit grösseren Reihen angesehener Zeugen. Die Zeugenreihen der meisten Urkunden würden für unsern Zweck werthlos sein, wenn es nicht die blosse Rangordnung der Zeugen gestattete, die Stände auch da zu unterscheiden, wo sie nicht ausdrücklich nach Klassen geschieden sind. Wir haben von diesem Hülfsmittel schon früher[1] mehrfach Gebrauch gemacht, ohne dass es, da nur die allgemeinsten Regeln in Anwendung kamen, nöthig schien, diese selbst näher zu prüfen; hier, wo die Untersuchung der Stellung eines Grossen oft fast das einzige Mittel ist, seinen Stand zu bestimmen, werden wir uns einer genauern Prüfung des Werthes dieses Hülfsmittels nicht entziehen können; halten wir dabei zunächst den bestimmten Zweck im Auge, so werden wir doch auch andere gelegentlich sich darbietende Bemerkungen nicht übergehen, da sich hier auch für manche verwandte Forschungen wichtige Anhaltspunkte zu ergeben scheinen und der Gegenstand bisher, so viel ich weiss, nur einmal und zwar mit ziemlich unzureichenden Mitteln einer nähern Prüfung unterzogen wurde.[2]

Soll die Stellung der Zeugen in den Kaiserurkunden für unsern Zweck von Werth sein, so muss sich zunächst nachweisen lassen, dass dieselbe keine willkürliche war, sondern bestimmten Regeln folgte, und dass diese Regeln, über welche sich keine Mittheilungen erhalten haben, in den Urkunden selbst deutlich genug hervortreten, um aus Vergleichung der einzelnen Fälle die allgemeinen Grundsätze erkennen zu lassen. Weiter aber wird sie unsere nächsten Zwecke nur dann fördern können, wenn sich zugleich ergibt, dass dabei der Unterschied zwischen Fürsten und Nichtfürsten ein massgebender Gesichtspunkt war.

Dass die Stellung der Zeugen in den Kaiserurkunden nicht der Willkür der Notare überlassen war, sondern durch den Rang der einzelnen bedingt war, lässt sich wohl von vornherein annehmen; dass im ganzen und grossen eine bestimmte Ordnung dabei beobachtet wurde, lehrt uns fast jede Zeugenreihe. Welchen Werth man darauf legte, zeigt vor allem die Urkunde K. Albrechts vom J. 1298, in welcher er dem Erzbischofe Gerhard von Mainz bestätigte, dass er und seine Nachfolger in ordine et honore processionis, sessionis, nominationis et scripture ratione archicancellarie per Germaniam inter principes esse debent et locari priores, non obstante, quod in decreto electionis nostre

  1. Vgl. § 40ff.
  2. Gemeiner Berichtig. 115. Der Gegenstand wurde mir zuerst näher gelegt durch eine sehr gelungene Erstlingsarbeit eines meiner frühern Zuhörer, des Dr. Alfons Huber, welcher mit nächstliegenden Hülfsmitteln eine Prüfung der vom Gemeiner aufgestellten Gesichtspunkte versuchte; die folgenden Bemerkungen fussen insbesondere da noch vielfach auf seiner Arbeit, wo der nächste Zweck zu einem weitern Verfolgen der Resultate derselben keine Veranlassung bot.
Empfohlene Zitierweise:
Julius von Ficker: Vom Reichsfürstenstande. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1861, Seite 156. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Vom_Reichsf%C3%BCrstenstande_184.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)