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unterliegt; und es muss zugleich auffallen, dass der unmittelbar vorhergehende Zeuge, der Herzog von Oesterreich, nicht ebenso, sondern als illustris princeps bezeichnet wird.


XI.

109 Der zuletzt hervorgehobene Umstand macht uns auf ein anderes Kennzeichen des Fürstenstandes aufmerksam, auf die fürstlichen Prädikate. Wie in der spätern Zeit des altrömischen Kaiserreichs die einzelnen Rangklassen der Grossen durch bestimmte Prädikate unterschieden waren, so begann auch die Reichskanzlei etwa seit dem Ende des zwölften Jahrhunderts einzelne Prädikate, welche bis dahin, wie es scheint, ziemlich schwankend und ohne feststehende staatsrechtliche Bedeutung gebraucht wurden, in bestimmtere Beziehung zu den verschiedenen Klassen der Grossen zu setzen; und seit der Mitte des dreizehnten Jahrhunderts hatte sich dieser Gebrauch so fest gestaltet, dass danach häufig die Zeugen in den Kaiserurkunden klassifizirt wurden. Diese Prädikate sind für Geistliche: Venerabilis, honorabilis, religiosus; für Weltliche: Illustris, clarissimus, spectabilis, nobilis, strenuus, fidelis. Von diesen werden religiosus, clarissimus und fidelis nur vereinzelt zur Bezeichnung der Zeugenklassen gebraucht; auch von den übrigen finden sich gewöhnlich nicht alle in ein und derselben Urkunde; am vollständigsten dürfte eine Urkunde K. Albrechts von 1298 venerabiles, illustres, spectabiles, nobiles und strenui unterscheiden [1]; vier weltliche Klassen der illustres, spectabiles, nobiles und fideles zeigt auch eine Urkunde K. Rudolfs vom J. 1291. [2]

110 In frühern Jahrhunderten stand die Bedeutung von Venerabilis und Honorabilis so wenig fest, dass auch weltliche Grosse nicht selten so genannt werden; 1125 heisst der Graf von Flandern venerabilis comes, 1156 der von Holland honorabilis comes. [3] In späterer Zeit kommt das nur sehr vereinzelt und nicht in Kaiserurkunden vor; so heisst venerabilis 1205 der Herzog von Kärnthen in Urkunde des Abts von Viktring, 1235 der Herzog von Polen in Urkunde der Stadt Halle [4]; in niedersächsischen Urkunden finden wir 1211 einen venerabilis comes, 1239 sogar einen venerabilis miles oder 1400 einen erwerdigen ritter. [5]

In der Regel wurden sie freilich auch früher nur für Geistliche gebraucht, auch wohl schon so, dass venerabilis entschieden einen höhern Rang bezeichnet; so heisst 995 der Erzbischof venerabilis, der Bischof honorabilis. [6] Doch finden wir noch im zwölften Jahrhunderte nicht selten Bischöfe, so 1140 die von Brixen und Gurk, 1162 den von

  1. Reg. Albr. n. 81.
  2. A. Palat. 7, 277.
  3. Miraeus 1, 377. 4, 514.
  4. Ankershofen n. 649. Tschoppe 294.
  5. Scheidt 352. 356. 357. 358.
  6. C. d. Westf. 1, 56.
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Julius von Ficker: Vom Reichsfürstenstande. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1861, Seite 147. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Vom_Reichsf%C3%BCrstenstande_175.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)