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104 Als Resultat der bisherigen Erörterungen werden wir etwa festhalten dürfen, dass auch nach der um das J. 1180 eingetretenen geänderten Abgränzung des Reichsfürstenstandes die weltlichen Grossen bis zu den Reichsdienstmannen herab wie früher nur zwei Stände bildeten, den der Principes und den der Nobiles. In letzterm werden die Grafen oft besonders hervorgehoben; auch Magnaten und Barone werden oft als höhere Abstufung des Standes vor dem Edeln genannt, doch so, dass ohne gegen den Sprachgebrauch der Reichskanzlei zu verstossen, auch der ganze Stand durch jeden dieser beiden Ausdrücke bezeichnet werden kann; die deutschen Rechtsbücher bezeichnen ihn als den der freien Herren. Dürfte dieser letzte Ausdruck als der Muttersprache angehörend, für den Gebrauch im allgemeinen den Vorzug verdienen, so dürfte für unsere besonderen Zwecke der Ausdruck Magnaten der angemessenste erscheinen. Wir haben uns vorzugsweise nur mit der Gränze zu befassen, welche den Stand der freien Herren nach obenhin von den Fürsten scheidet, also mit den angesehensten Gliedern des Standes; dazu dürften sich die Ausdrücke freie Herren, Edle, selbst Barone weniger eignen, da wir zu sehr gewohnt sind, sie in einer beschränkteren, die Grafen und andere mächtige Grosse nicht umfassenden Bedeutung zu gebrauchen. Dagegen nehmen wir das Wort Magnaten um so lieber auf, als es, früher in der Reichskanzlei nicht üblich, von dieser gerade aufgenommen scheint, als der Fürstenstand sich enger schloss, und man nun nach etwas vornehmeren Bezeichnungen suchte, um die Edeln, welche früher dem Fürstenstande angehörten, auszuzeichnen. So nennen sich die Grossen, welche über die Wahl Philipps an den Papst schreiben: Germaniarum principes et magnates[1]; es sind keine einfache Edle unter ihnen, nicht einmal Grafen; nach unsern spätern Untersuchungen werden sich alle als Fürsten erweisen, bis auf den Markgrafen von Ronsberg und vielleicht den von Mähren, auf welche sich demnach der Ausdruck Magnaten beziehen muss. Es dürfte also dem alten Sprachgebrauche ganz angemessen sein, wenn wir uns dieses Ausdruckes bedienen, um die uns zunächst beschäftigenden, den Fürsten am nächsten stehenden Glieder des Standes der freien Herren zu bezeichnen, insbesondere auch solche, welche nach den früheren Standesverhältnissen den Fürsten zugezählt worden wären.

105 Während der Ausdruck Fürsten Geistliche und Weltliche umfasst, bezieht sich Magnaten und die verwandten Ausdrücke nur auf die letztern und es könnte auffallen, dass wir unter den oft so gehäuften Ausdrücken zur Bezeichnung der Reichsgrossen keinen für Geistliche, welche nicht Fürsten waren, finden. Spätere Erörterungen werden uns zeigen, dass es in früherer Zeit, abgesehen etwa von den Reichspröbsten, keine mit Kaiser und Reich in unmittelbarer Verbindung stehende Geistliche gab, welche nicht Fürsten waren, also auch nur selten Anlass geboten

  1. M. G. 4, 201.
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Julius von Ficker: Vom Reichsfürstenstande. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1861, Seite 142. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Vom_Reichsf%C3%BCrstenstande_170.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)