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die Zeugen der Kaiserurkunden in bestimmte Klassen zu ordnen, so zeigt uns ein vereinzelter Fall, wie man Grafen neben den Baronen zwar hervorhob, sie aber mit denselben zu einer Klasse zusammenfasste, es heisst 1226: presentibus – principibus venerabilibus in Christo S. Augustensi et H. Eistetensi episcopis, L. quoque illustri duce Bawarie; preterea comitibus et baronibus: H. de Dilingen, C. de Wirtenberc comitibus; F. de Truhendingen, H. de Niphen, A. de Wange, E. de Aichheim baronibus; ministerialibus quoque imperialis aule u. s. w.[1]

Die Grafen müssen demnach, wo sie nicht besonders genannt sind, unter den Edeln einbegriffen sein; sie müssen, wenn ihnen auch ihr Titel einen Ehrenvorzug geben mochte, doch wesentlich mit den Magnaten, Baronen oder Edeln einem und demselben Stande angehört haben.

Für eine solche Standesgleichheit des einfachen Edeln und des Grafen finden wir auch andere unzweideutige Beweise. So ist Nobiles oder Nobilis vir die gewöhnlichste Bezeichnung für den Grafen sowohl wie für den einfachen Edeln[2], und nicht selten werden, worauf wir zurückkommen, in den Kaiserurkunden die Grafen mit den übrigen Edeln unter der Gesammtbezeichnung Nobiles von den Principes geschieden.

102Einen Prüfstein für die Richtigkeit der gewonnenen Resultate müssen uns die gesetzlichen Strafbestimmungen bieten.

In den sächsischen Rechtsbüchern finden wir den alten Ansatz wieder, dass der Fürst dem Könige hundert, jeder andere zehn Pfund wette.[3] Diese Angabe über das Gewette gibt nun für unsere Frage so wenig einen Anhalt, als die andere des sächsischen Landrechtes, wonach Fürsten, freie Herren und schöffenbare Leute in Busse und Wehrgeld gleich seien, nur dass man Fürsten und freien Herren in Golde zahle.[4]

Das Görlitzer Landrecht[5] lässt beim Wehrgelde eine vielleicht ganz willkürliche Steigerung eintreten, indem es das Wehrgeld des Bauern auf zehn, des Ritters auf hundert, des freien Herren auf tausend, des Fürsten auf zehntausend, des Königs auf hunderttausend Mark angibt. Für die Frage, wer jetzt zu den Fürsten gehöre, wer nicht, gibt das keinen Anhalt; wohl aber dürfte sich in Uebereinstimmung mit dem oben erörterten daraus schliessen lassen, dass es zwischen dem Princeps und dem Nobilis, dem Fürsten und dem freien Herren, keinen weitern Stand gab, Grafen, Magnaten, Barone also, insofern wir sie unter den Fürsten nicht mitbegreifen dürfen, zu den freien Herren zählen.

Aehnliches ergibt sich aus dem schwäbischen Landrechte. Lässt dieses den Fürsten hundert, den freien Herren fünfzig, den Mittelfreien zwanzig, alle andern zehn Pfund wetten[6], so hält es sich im höchsten

und niedrigsten Gewette an den alten Satz, welchen es im Sachsenspiegel

  1. Huillard 2, 889.
  2. Zahlreiche Beispiele Vitr. ill. 2, 856, welche sich aus jeder Urkundensammlung vermehren lassen.
  3. Vgl. § 38. n. 3. 4.
  4. Ss. Ldr. 3, 45 § 1.
  5. Ed. Homeyer 41 § 4.
  6. Sw. Ldr. 138.
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Julius von Ficker: Vom Reichsfürstenstande. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1861, Seite 139. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Vom_Reichsf%C3%BCrstenstande_167.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)