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bedurften, um demselben zugezählt zu werden; es musste sich mindestens bereits im J. 1188, zur Zeit der Erhebung des Grafen von Hennegau, ein von dem früheren wesentlich verschiedener Begriff des Fürstenstandes ausgebildet haben.

Wollen wir es nun versuchen, davon ausgehend Zeit und Art der Aenderung des Begriffes genauer zu verfolgen, so dürfen wir nach dem ganzen Gange der deutschen Verfassungsgeschichte wohl von vornherein schliessen, dass wir hier nicht auf eine plötzliche Aenderung des früheren Herkommens, auf irgend eine Aeusserung gesetzgeberischer Thätigkeit stossen werden, sondern auf einen allmäligen Uebergang; wie der geschlossene Kreis der Wahlfürsten zur Zeit des Interregnum, so tritt uns ein enger abgegränzter Fürstenstand bei der Erhebung des Grafen von Hennegau sogleich in einer Weise vor Augen, als handle es sich um ein Verhältniss, welches von jeher so gewesen; vergebens suchen wir in den Annalen nach einer Thatsache, welche uns den Abschluss des alten, den Beginn des neuen Verhältnisses bezeichnen könnte. Scheint sich doch auch in den nächstfolgenden Dezennien der Kreis der Pares Franciae so unmerklich geschlossen zu haben, dass das, was keiner der Zeitgenossen beachtete, von der neuern Forschung nur mit Wahrscheinlichkeit an ein bestimmtes Ereigniss angeknüpft werden kann.

Wo es sich nun um die Feststellung eines solchen allmälig entstehenden Verhältnisses handelt, wird uns der am leichtesten schrittweise zu verfolgende 'Sprachgebrauch der Reichskanzlei bei Bezeichnung der Grossen das nächstliegende Hülfsmittel bieten; wie wir darnach vorzugsweise den ältern Zustand festzustellen suchten, so wird sich voraussichtlich in demselben der Uebergang zum neuen abspiegeln.

Fanden wir früher den Gebrauch, alle beim Kaiser anwesende Grosse bis zu den Reichsministerialen hin als Principes zu bezeichnen, so mussten wir daraus schliessen, dass überhaupt wenig Gewicht auf den Ausdruck Princeps gelegt wurde. Mit der scharfen Betonung desselben bei den Erhebungen, mit dem grossen Gewichte, das man jetzt in den Urkunden oft auf die Fürsten legt, welche der Kaiser schon 1187 als capitales Romani columpnas imperii videlicet illustres principes nostros bezeichnet[1], wäre ein solcher, Gebrauch schwerlich mehr vereinbar; und das oben[2] angeführte Beispiel vom J. 1177 ist wirklich das letzte, in welchem ich ihn bestimmt nachzuweisen wüsste. Eine sehr auffallende späte Ausnahme bietet allerdings noch die Urkunde über die Aechtung der Stadt Parma im J. 1220, wo es heisst: Principes vero imperii ab imperatore super hoc requisiti – fuerunt patriarcha Aquilejensis, cancellarius, prepositue camere, mariscalcus, seneschalcus, dapifer, dux Bavarie, marchio de Andechs, dux Spoletanus[3], also sogar Ministerialen den Reichsfürsten zugezählt sind; die Urkunde ist aber nicht von der Reichskanzlei ausgestellt,

  1. Ughelli 2, 172.
  2. Vgl. § 34 n. 8.
  3. Huillard 2, 48.
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Julius von Ficker: Vom Reichsfürstenstande. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1861, Seite 129. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Vom_Reichsf%C3%BCrstenstande_157.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)