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77 Handelte es sich bei der Errichtung der Fürstenthümer Braunschweig und Hessen darum, bei Grossen, welche nach ihrer Abstammung und ihren Machtverhältnissen eine fürstenmässige Stellung einnahmen, aber besonderer Verhältnisse wegen bisher ausser Lehnsverbindung mit dem Reiche standen, das tatsächliche Verhältniss in ein rechtlich anerkanntes zu verwandeln, so handelte es sich im vierzehnten Jahrhunderte bei den nun häufiger werdenden Errichtungen von Fürstenthümern meistentheils darum, dem Ehrgeize der Grafen Genüge zu thun.

Die ersten Erhebungen dieser Art sind uns beachtenswert, weil sie uns Beispiele geben, dass der Reichsfürstenstand auch mit dem blossen Grafentitel verbunden werden konnte.

Der Graf von Savoyen, obwohl auch die Titel eines Herzogs von Chablais und Aosta und Markgrafen in Italien führend, bedurfte dennoch einer besondern Erhebung, um in den Reichsfürstenstand einzutreten. In dem betreffenden Protokolle vom J. 1310 heisst es: Henricus d. gr. Romanorum rex – illustrem ac spectabilem virum d. Amedeum comitem Sabaudie, ducem Chablasii et Vallis Auguste, marchionem in Ytalia et dominum Baugiaci et Cologniaci affinem suum carissimum recipientem pro se et heredibus suis Sabaudie comitibus de Sabaudia, de qua ibidem presentialiter eidem d. regi ipse d. Amedeus donationem fecerat, investivit in principatum cum ceptro regali ipsumque d. Amedeum principem constituit et creavit, eidem d. Amedeo et Sabaudie ultra honorem et dignitatem et nomen comitis et comitatus nomen honorem et dignitatem et administrationem, necnon principis et principatus privilegia plenissime largiendo.[1] Bei der Bestimmteit dieser Ausdrücke muss es auffallen, dass der K. Sigismund 1416 bei der Erhebung Savoyens zum Herzogtume sagt, er erhebe den Amedeus in verum principem et ducem, die Grafschaft in verum et perpetuum principatum et ducatum Sabaudiae, mit allen Rechten und Ehren, welcher sich caeteri imperii sacri duces et principes erfreuen[2], so dass anscheinend die frühere Erhebung ganz unberücksichtigt bleibt. Es mag sein, dass die frühere Erhebung in Vergessenheit geriet oder dass man sie wegen mangelnder Zustimmung der Fürsten nicht für rechtskräftig hielt. Wir werden aber kaum fehlgreifen, wenn wir die Erklärung einfach darin suchen, dass man sich 1416 in der Reichskanzlei an vorliegende Formulare für die Erhebung zum Herzoge hielt, ohne auf den Unterschied zwischen der Erhebung eines Fürsten und der eines Nichtfürsten zu achten; vergleichen wir andere Erhebungsurkunden, so die nächstliegenden der Herzoge von Berg und Kleve, 1386 und 1417[3], so ergibt sich, dass die betreffenden Formeln fast wörtlich übereinstimmen.

Kurz darauf finden wir eine zweite Erhebung eines Grafen, ohne dass demselben ein höherer Amtstitel beigelegt wurde. Dem Grafen

  1. Acta Henr. 1, 3.
  2. Leibnitz c. d. 311.
  3. Lacombl. 3, n. 848. 4, 102.
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Julius von Ficker: Vom Reichsfürstenstande. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1861, Seite 114. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Vom_Reichsf%C3%BCrstenstande_142.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)