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genaue Feststellung uns den Ausgangspunkt für manche spätere Erörterungen gewährt.

Was zunächst die urkundlichen Zeugnisse betrifft, so macht 1192: Balduinus comes Flandriae et Hannoniae et marchio Namuci primus eine Schenkung an die Kirche S. Alban zu Namur, als Beweggrund angebend: quod cum dominus omnipotens ad honorem Namucensis castri, quod me ex parte avunculi mei Henrici comitis Namuci et Lueceleborg, jure hereditario contingebat, me sublimasset et Henricus sextus Romanorum imperator ex honore ipsius castri et eius appenditiis me marchionem et principem imperii preeunte principum suorum iudicio et eorum subveniente consilio fecisset u. s. w.[1] Wir finden weiter 1195 in urkundlichen Aufzeichnungen über kirchliche Stiftungen von Balduin gesagt: qui jure hereditario Namurcum adeptus fuit unde factus fuit marchio Namucensis et princeps imperii.[2] Auch führt Balduin sehr gewöhnlich urkundlich den Titel: primus marchio Namucensis[3], wie sich für seinen Sohn Philipp 1198 die Bezeichnung: marchio secundus Namucensis findet.[4]

Diese urkundlichen Andeutungen würden uns nun freilich nur sehr dürftige Anhaltspunkte geben, fänden wir nicht anderweitig die erwünschte Ergänzung. Diese gibt uns Giselbert, Kanzler des Grafen Balduin, in seiner Chronik von Hennegau. Er zeigt sich bewandert in Staatsgeschäften, mit den staatsrechtlichen Verhältnissen so vollkommen vertraut, wie kein zweiter Schriftsteller seiner Zeit; in sein Werk flicht er mehrfach Bemerkungen über Recht und Herkommen ein, welche noch wohl kaum hinreichende Beachtung gefunden haben, und wir werden mehrfach Gelegenheit haben, ihn als bestimmten Zeugen für wichtige Sätze des damaligen öffentlichen Rechts anzuführen, welche wir ohne ihn kaum dürftig durch Schlüsse würden erweisen können. Gerade für unsern nächsten Zweck ist er ein um so gewichtigerer Gewährsmann, als fast alle Verhandlungen zwischen dem Grafen und dem kaiserlichen Hofe durch ihn selbst geführt sind, wie er mehrmals bestimmt angibt.

Graf Balduin IV. von Hennegau war vermählt mit Alix, einer Schwester des Heinrich, Grafen von Namur und, als Nachfolger seines mütterlichen Oheim, von Luxemburg. Von den Schwestern der Alix waren zwei mit einem Antheile am Allode abgefunden, die Ansprüche der beiden andern erwarben Balduin und Alix, so dass ihnen drei Theile am Allode von Namur zukamen. Es wurde nun 1163 das Abkommen getroffen, dass Graf Heinrich bei Lebzeiten alles besitzen, nach seinem Tode aber seine gesammten Besitzungen in den Grafschaften Namur, de la Roche, Luxemburg und Durbui an Balduin, dessen Gemahlin und deren Erben kommen sollten.[5] Als Balduin IV. 1171 starb, folgte ihm sein Sohn Balduin V., welchem der Oheim von Namur im J. 1172, und

  1. Miraeus 1, 294.
  2. l. c. 1, 721. 2, 981.
  3. l. c. 1, 295. 722. 2, 837.
  4. l. c. 2, 1203.
  5. Gislebert Hanon. 45. Reiffenberg 1, 127.
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Julius von Ficker: Vom Reichsfürstenstande. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1861, Seite 108. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Vom_Reichsf%C3%BCrstenstande_136.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)