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was vor allem wichtig, die vorhandene echte Erhebungsurkunde irgend etwas davon, dass Heinrich zum Fürsten oder Oesterreich zum Fürstenthume geworden sei, während das im folgenden Jahrhunderte in ähnlichen Urkunden immer aufs schärfste betont wird. Ebenso wenig finden wir in den über die Erhebung des Markgrafen von Steier zum Herzoge im J. 1180 vorliegenden Stellen der Chroniken von Kremsmünster, Admont und Zwettl[1] irgend eine Andeutung auf den jetzt erlangten Fürstenstand, während man doch offenbar in beiden Fällen auf die Erlangung des Herzogstitels grosses Gewicht legte; wird für die Erhebung Oesterreichs in der Urkunde als Motiv angegeben: ne minui videatur honor et gloria dilectissimi patrui nostri, so sagt Herzog Ottokar 1182 selbst: Quia vero dominus nomen et honorem nostrum dignatus est augere, immensas gratiarum actiones debemus ei reddere.[2] Und so werden wir auch hier getrost behaupten dürfen, dass der schon dem dreizehnten Jahrhunderte angehörige Otto von S. Blasien lediglich die Anschauungen seiner Zeit, welchen jene Worte entsprechen würden, auf eine frühere übertrug. In der deutschen Verfassungsgeschichte traten die tiefeingreifendsten Aenderungen so allmählig ein, dass sie fast unbemerkt selbst an den Mitlebenden vorübergingen; es sind die Zustände der eigenen Zeit, welche sich in den Werken der Geschichtschreiber abspiegeln; es kann nur verwirren, wenn wir ihre Anschauungen auf die früheren Zeiten übertragen, deren Ereignisse sie erzählen.

Für dieses Verhältniss wird auch eine Stelle aus K. Friedrichs 70 Bestätigungsurkunde für das Bisthum Schwerin vom J. 1170 zu beachten sein, insofern darin von einer Erhebung der Herrscher von Mecklenburg und Pommern zu Reichsfürsten die Rede zu sein scheint. Nachdem vorher gesagt ist, der Glaubensprediger Berno sei a principibus terre illius Buggeslao, Casemaro, Pribeslao, wohl aufgenommen worden, heisst es schliesslich: Ad ultimum principes terre illius cum omni populo in plenitudine gratie et in defensione nostre maiestatis suscipimus, – ipsos etiam principes et maiores terre attentius monitos esse volumus, ut quia in gratiam nostri et honorem principum terre nostre recepti sunt, ipsis inpares in cultu dei non existant.[3] Erinnern wir uns, dass die slavischen Herrscher gewöhnlich Principes genannt wurden[4], so ist hier offenbar der Sinn nicht der, dass sie jetzt erst durch den Kaiser zu Fürsten erhoben werden, als vielmehr, dass sie, als früher ausser Beziehung zum Reiche stehende Fürsten, jetzt den Reichsfürsten gleich stehen sollen. Da sich ergeben wird, dass die Herrscher von Pommern und Mecklenburg bis ins vierzehnte Jahrhundert nicht als Reichsfürsten im spätern Sinne des Worts anerkannt waren, so liegt offenbar noch der weite Begriff des

  1. M. G. 11, 541. 548. 585.
  2. Dipl. Stir. 1, 167.
  3. Lisch 3, 21 aus einer Kopie; 1603 war das Original angeblich vorhanden; die Frage nach der Echtheit dürfte genauere Untersuchung verdienen.
  4. Vgl. § 9.
Empfohlene Zitierweise:
Julius von Ficker: Vom Reichsfürstenstande. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1861, Seite 105. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Vom_Reichsf%C3%BCrstenstande_133.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)