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bevorzugte Stellung wir oben hinwiesen[1], wird vereinzelt wohl als Graf bezeichnet.[2]

Aus diesem Schwanken konnten sich, wenn wir nur den Landesbrauch ins Auge fassen, weder in Sachsen, noch in den Herzogthümern des Südens Unregelmässigkeiten bezüglich der Abgränzung des Fürstenstandes ergeben, da man, falls unsere Ergebnisse richtig sind, dort den neugräflichen Häusern den Fürstenrang nicht zugestand, hier dagegen die Edeln überhaupt in denselben einbezog.[3] Aber auch in Lothringen, wo Grafentitel und Fürstenstand am engsten verwachsen erscheinen, finden sich Beispiele für jenes Schwanken. Ein auffallendes Beispiel geben die von Hochstaden. Gerhard erscheint zuerst als Graf 1126 in erzbischöflicher Urkunde.[4] In Kaiserurkunden von 1128 und 1134, in welchen Principes und Nobiles geschieden sind, wird er als Graf, und zwar unter den Fürsten genannt[5], dagegen 1129 ausdrücklich als Freier von den Grafen getrennt[6]; 1131 erscheint er in zwei an demselben Tage ausgestellten Urkunden, und zwar in der einen mit, in der andern ohne den Grafentitel[7]; 1132 wird er als Freier bestimmt von den Fürsten getrennt[8]; 1136 zählt er ohne den Grafentitel zu den summis regni primoribus, aber freilich in einem Falle, wo von diesen andere Klassen überhaupt nicht unterschieden werden.[9] Auch 1147 erscheint er in Kaiserurkunde nur als Freier; 1174 und 1180 finden wir wieder einen Grafen von Hochstaden.[10] In erzbischöflichen Urkunden erscheinen sie seit 1166 gewöhnlich mit dem Grafentitel[11]; aber vereinzelt 1167 und 1176 auch wieder ohne denselben.[12] Die von Heinsberg und Kuik erscheinen in der Regel nur als freie Herren; vereinzelt finden wir aber beide in kaiserlichen, wie erzbischöflichen Urkunden auch als Grafen[13]; das Wahldekret K. Otto’s unterschreibt Heinrich von Kuik als Graf[14], während er in gleichzeitigen Urkunden des Königs keinen Titel führt.[15] Dietrich von Tomburg erscheint noch 1096 in erzbischöflicher Urkunde unter den Milites ohne Titel und andern Freien nachgestellt[16]; in Kaiserurkunde von 1101 erscheint er als Graf unter den Fürsten.[17]

Solchen Beispielen gegenüber wird freilich kaum ein Bedenken gegen die Annahme zu unterdrücken sein, es habe sich ein staatsrechtlich anerkannter Standesunterschied nach dem Grafentitel abgegränzt, während nicht einmal in der Reichskanzlei feststand, wem dieser Titel gebührte. Und dennoch geben wieder gerade dieselben Beispiele einen weitern Beleg für die Richtigkeit dieser Annahme; erhalten die Herren von Heinsberg in Urkunde von 1128 vereinzelt den Grafentitel, so dürfte

  1. Vgl. § 59.
  2. 1162: Muratori ant. 6, 260.
  3. Vgl. § 58.
  4. Lacombl. 1, n. 301.
  5. Böhmer c. d. 13. Jung 361.
  6. Lacombl. 1, n. 304.
  7. Lacombl. 1, n. 310 u. Anm. 1.
  8. Lacombl. 1, n. 313.
  9. Quix 68.
  10. Lacombl. 1, n. 356. 450. 472.
  11. Lacombl. 1, n. 415 u. s. w.
  12. Günther 1, 391. Lacombl. 1. n. 455. 458.
  13. Böhmer c. d. 13. Lacombl. 1, n. 305. 415. 473.
  14. M. G. 4, 205.
  15. Lacombl. 1, n. 562. 563.
  16. Lacombl. 1, n. 1096.
  17. Hontheim 1, 477.
Empfohlene Zitierweise:
Julius von Ficker: Vom Reichsfürstenstande. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1861, Seite 92. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Vom_Reichsf%C3%BCrstenstande_120.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)