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der Nobiles angehörten, ebenso, wie die edeln Burggrafen der sächsischen Fürsten. Erscheint das in den Landesurkunden streng festgehalten, so scheint sich auch die Reichskanzlei dem Landesbrauche im allgemeinen angeschlossen zu haben, wenn sie ihn auch vereinzelt, wie beim Burggrafen von Magdeburg, nicht immer beachtete; von ihrer Regel, alle Grafen zu den Fürsten zu rechnen, durfte sie desshalb kaum abgehen, da jene neuern Grafen wenigstens in Kaiserurkunden, wo die Klassen schärfer geschieden sind, nicht mit dem Grafentitel auftreten, während in andern dem Unterschiede wenigstens dadurch Rechnung getragen wird, dass sie, so weit ich sehe, in der Zeugenreihe immer den fürstlichen Grafen nachgestellt sind, was z. B. in Urkunde von 1168 noch bestimmter dadurch hervortritt, dass die den markgräflichen Häusern von Meissen und Brandenburg angehörenden Grafen von Rochlitz, Wettin, Aschersleben und Werben einerseits, und der Burggraf von Magdeburg und der Graf von Schauenburg andrerseits durch die fränkischen und baierischen Grafen voneinander getrennt sind.[1]

Da dem Lande Franken die beiden Grafen angehören, welche am bestimmtesten in einer Kaiserurkunde von 1142 als Nichtfürsten bezeichnet werden[2], nämlich die von Henneberg und Abensberg, und beide zugleich nicht Reichsgrafen, sondern bischöfliche Lehnsgrafen waren, so dürfte das vielleicht auf ein ähnliches Verhältniss, wie in Sachsen schliessen lassen. Doch sind hier die anderweitigen Zeugnisse zu dürftig, die staatsrechtlichen Verhältnisse Frankens überhaupt, wie mir scheint, zu wenig einheitlich gestaltet, als dass ich mir hier eine bestimmtere Behauptung gestatten möchte.

Man sieht, auf wie ungenügender Grundlage sich diese Untersuchungen vielfach bewegen und wie manchen Erörterungen hier noch freier Raum gelassen ist. Als Gesammtresultat werden wir aber doch festhalten dürfen, dass zwar in den einzelnen Ländern sich Abweichungen bezüglich der Stellung der Grafen zum ältern Fürstenstande ergeben; dass dagegen vor dem Reiche regelmässig jeder Graf bei schärferer Scheidung der Stände zu den Fürsten gezählt wurde, dass ein durchgreifender Unterschied verschiedener Klassen von Grafen in dieser Richtung sich nicht erweisen lässt, und widersprechender Landesbrauch anscheinend von der Reichskanzlei durch Vermeidung schärferer Bezeichnungen vielfach mehr umgangen, als berücksichtigt wurde. Wo wir die sehr vereinzelten Fälle, welche dagegen zu sprechen scheinen, nicht einfach als Unregelmässigkeiten betrachten wollen, dürften sie entweder als eine ausnahmsweise weitergehende Berücksichtigung des Landesbrauches, oder aber auch, insofern sie in spätere Zeiten des zwölften Jahrhunderts fallen, als Anzeichen einer sich vorbereitenden veränderten Anschauung, nach welcher die Grafen nicht mehr zu den Fürsten zählen, zu betrachten sein.

  1. Lacombl. 1, n. 427.
  2. Vgl. § 55 n. 1.
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Julius von Ficker: Vom Reichsfürstenstande. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1861, Seite 87. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Vom_Reichsf%C3%BCrstenstande_115.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)