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Lothringen aus Kaiserurkunden als Fürsten erweisen können; so die Grafen von Saarbrück, Salm, Mousson, Flandern, Luxemburg, Namur, Loos, Holland, Zütphen, Geldern, Jülich, Kleve, Heinsberg, Hochstaden, Tomberg, Saffenberg, Berg, Norvenich, Molbach, Sain, Kessel, Laach, Wassenberg, Rheineck.[1] Da wir nun aus diesen Gegenden keine Urkunden finden, in welchen Grafen als Nichtfürsten bezeichnet werden, andererseits aber wieder keine Belege, dass auch Edelherren zu den Reichsfürsten gezählt wurden, da weiter hier der Frieden von 1083 entstand, in welchem die Principes terrae von den Nobiles so scharf geschieden werden[2], so dürfen wir wohl annehmen, dass hier der gewöhnliche Brauch der Reichskanzlei, alle Grafen, aber keine Edlen den Fürsten zuzuzählen, sich am engsten an den Landesbrauch anschloss, wodurch denn eine nähere Veranlassung geboten war, die Grafen insbesondere dann bestimmter als Fürsten zu bezeichnen, wenn sie vorwiegend dem Lande Lothringen angehörten.

Im Lande Baiern fanden wir einen abweichenden Brauch, insofern hier zu den Fürsten nicht allein alle Grafen, sondern aufs bestimmteste auch die Edlen gerechnet wurden, sei es nun, dass dabei zunächst der Begriff des Reichsfürsten[3], oder, was wahrscheinlicher sein dürfte, das Fürsten des Landes oder Herzogthums Baiern[4] zu Grunde lag. Um so mehr könnte es auffallen, dass sich gerade von den baierischen Grafen nur wenige aus Kaiserurkunden bestimmt als Fürsten erweisen lassen würden. Ich denke, der Grund liegt darin, dass man eben wegen jenes Abweichens des Brauches der Reichskanzlei vom Landesbrauche es bei vorwiegend baierischen Zeugen ebensowohl vermied, nur die Grafen als Fürsten zu bezeichnen, als dem Landesbrauche nachgebend auch die Edlen ihnen zuzuzählen; entweder, und das war am häufigsten der Fall, indem man überhaupt keine Klassen unterschied, oder aber, wie z. B. in Urkunde von 1154 nach den mächtigern geistlichen und weltlichen Fürsten die vorwiegend Baiern angehörenden Grafen aufzählte, ohne sie jedoch bestimmt als Principes zusammenzufassen, dagegen nur die untern Klassen mit den Gesammtbezeichnungen Nobiles et liberi und Ministeriales folgen liess.[5]

Dasselbe Verhältniss scheint für Schwaben massgebend gewesen zu sein, dessen Grafen sich gleichfalls nur selten aus Kaiserurkunden bestimmter als Principes nachweisen lassen; dass man auch hier die Edlen den Fürsten zuzählte, wie in Baiern, wüsste ich freilich mit gleicher Sicherheit nicht zu erweisen, ist mir aber höchst wahrscheinlich, da eine schärfere Scheidung beider Klassen nicht hervortritt und der Herzog neben den Principes und Fideles, oder den Principes und Ministeriales die Nobiles nicht besonders nennt.[6]

  1. Böhmer c. d. 13. Notizenbl. 1, 98. Calmet 1, 529. Lacombl. 1, n. 313. Kindl. Volmest. 2, 17. Günther 1, 363. Quix 68. Jung 361. Heda 322. Miraeus 3, 346. 4, 186. M. B. 29, 427. 30, 385. Hontheim 1, 477. Mieris 1, 108.
  2. Vgl. § 38.
  3. Vgl. § 35. 37. 53.
  4. Vgl. § 18.
  5. M. B. 29, 313.
  6. Vgl. § 18.
Empfohlene Zitierweise:
Julius von Ficker: Vom Reichsfürstenstande. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1861, Seite 85. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Vom_Reichsf%C3%BCrstenstande_113.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)