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Utrecht; dennoch werden ihre Grafen den Fürsten zugezählt.[1] Selbst der vielfach so schwer ins Gewicht fallende Unterschied der Lehnsverpflichtung gegen einen weltlichen oder geistlichen Fürsten lässt sich hier nicht als wirksam erweisen; die Grafen von Sayn und Molbach werden unter den Fürsten genannt[2], obwohl ihre Grafschaften rheinpfälzische Lehen waren; und in Baiern haben wir allen Grund zu der Annahme, dass nicht allein Grafschaften, sondern auch Markgrafschaften, Pfalzgrafschaft und Landgrafschaft vom Herzoge geliehen wurden, ohne dass der Fürstenrang der Beliehenen irgend zu bezweifeln wäre.

Selbst für die Erklärung jener Stellen, in welchen nur einzelne Grafen als Fürsten, andere mit mehr oder weniger Bestimmtheit als Nichtfürsten bezeichnet werden[3], würde der erörterte Unterschied nicht ausreichend erscheinen. Allerdings würde sich für manche der bevorzugten Grafen, wie die von Winzenburg, Dietz, Holland, Orlamünde, Brene, Rochlitz, Groitsch und Wettin wahrscheinlich machen lassen, dass sie ihre Grafschaften, so weit von solchen bei ihnen überhaupt die Rede sein kann, unmittelbar vom Reiche hatten, während, was die anscheinenden Nichtfürsten betrifft, die Grafen von Tirol und Eppan ihre Grafschaften vom Bischofe von Trient, der Graf von Henneberg vom Bischofe von Würzburg, der Graf von Abensberg vom Bischofe von Bamberg, der Burggraf von Magdeburg vom Erzbischofe, der Graf von Schwerin vom Herzoge von Sachsen, der Graf von Leiningen vom Rheinpfalzgrafen hatten. Es mag das an einzelnen Stellen eingewirkt haben; aber durchgreifend erweist sich das nicht; es bleibt der Widerspruch in der Stellung der Grafen von Orlamünde und Lenzburg ungelöst; wir konnten weiter für Magdeburg, Abensberg, Henneberg[4] und Tirol[5] auch wieder Stellen nachweisen, in welchen sie bestimmt als Fürsten erscheinen.

58 Zu etwas festern Haltpunkten dürften wir hier gelangen, wenn wir örtlich scheiden und die Stellung der Grafen in den einzelnen Reichslanden ins Auge fassen. Es ist allerdings zum Theil blosser Zufall, dass wir gerade diesen oder jenen Grafen in Kaiserurkunden namentlich unter den Fürsten aufgeführt finden, da der Stellen zu wenige sind, in welchen der Stand hinreichend scharf abgegränzt erscheint. Können wir einzelne Grafen wie die von Sulzbach, Kalw, Winzenburg sehr häufig als Fürsten erweisen[6], finden wir sie oft den mächtigsten weltlichen Fürsten vorgestellt, so würden wir allerdings bei der Mehrzahl der einzelnen Grafen darauf verzichten müssen, bestimmte Belege für ihren Fürstenstand beizubringen.

So vieles dabei nun auch dem Zufalle überlassen ist, so muss es doch auffallen, dass wir insbesondere zahlreich die Grafen des Landes

  1. Böhmer c. d. 13. Notizenbl. 1, 99. Jung 361. Günther 1, 163. Mieris 1, 108.
  2. Günther 1, 363.
  3. Vgl § 55.
  4. Vgl. § 56.
  5. Vgl. § 53 n. 12.
  6. z. B. M. G. 4, 66. M. B. 29, 233. 304. 30, 385. C. d. Westf. 1, 152. Calmet 1, 529. R. Boic. 1, 167. Guden 1, 133.
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Julius von Ficker: Vom Reichsfürstenstande. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1861, Seite 84. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Vom_Reichsf%C3%BCrstenstande_112.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)