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in Kaiserurkunden im übrigen ganz zu entsprechen scheint; es dürfte sich demnach in Beziehung auf die Reichsverhältnisse mit dem Ausdrucke Nobiles schon mehr der Begriff eines abgeschlossenen zweiten Standes verknüpft haben. Scheint aber die Reichskanzlei insbesondere bei der Abgrenzung nach unten hin, keinen Unterschied zwischen Edlen und Freien zu kennen, so finden wir wohl in den Urkunden aus Gegenden, wo sich kleine Freie gehalten hatten, die blossen Liberi als niedrigere Klasse von den Nobiles unterschieden; insbesondere ist das in Westfalen der Fall. Ihre Stelle finden sie dann zwischen den Edelherren und den Ministerialen[1]; erst gegen Ende des zwölften Jahrhunderts finden wir Beispiele, dass sie auch den Ministerialen nachgestellt werden[2]; im folgenden Jahrhunderte betrachten dann Freie es schon als besondere Vergünstigung, den Ministerialen gleichgestellt zu werden.[3] Daraus erklärt es sich denn auch, wenn wir in den angeführten Strafbestimmungen den Freien dem Ministerialen gleichgestellt, dem Edeln nachgestellt fanden.[4] In der Regel finden wir aber doch im zwölften Jahrhunderte, wie in den kaiserlichen, so auch in den fürstlichen Urkunden, die Ausdrücke Nobiles und Liberi gleichbedeutend gebraucht; es sind durchweg dieselben Personen, welche bald als Nobiles, bald als Liberi zusammengefasst werden; und selbst da, wo wir sie zuweilen als zwei Klassen geschieden finden, ist doch auch der wechselnde und gleichbedeutende Gebrauch nicht ausgeschlossen; so heisst es in münsterischer Urkunde von 1129 im Texte: coram quampluribus – de populo utriusque ordinis liberorum scilicet ac ministerialium, am Ende aber: Nobiles autem hii sunt – Ministeriales sunt isti.[5] Selten finden wir nun etwa in niederrheinischen oder westfälischen Urkunden die Grafen von den Edeln oder Freien getrennt[6], häufig dagegen ihnen zugezählt.[7] Ebenso finden wir in österreichischen Urkunden nur Zeugen de ordine nobilium[8] oder liberorum[9] von denen de ordine ministerialium unterschieden; nur selten werden die Grafen von den Edeln getrennt.[10] Wollten wir aber desshalb den Fürstenstand der Grafen bestreiten, so müsste das auch auf den Rheinpfalzgrafen, auf die Herzoge von Brabant und Limburg Anwendung finden, welche in kölnischen Urkunden nicht selten die Reihe der Nobiles terrae eröffnen.[11]

Fassen wir das Gesagte zusammen, so lässt sich aus der Aufführung 53 von Grafen einerseits als Principes, andererseits als Liberi oder Nobiles an und für sich weder für, noch gegen ihren Fürstenstand etwas beweisen; zu den Fürsten werden hie und da auch einfache Edle und

  1. 1074-1197: Möser 4, 45. 68. 313. C. d. Westf. 1, 133. 2, 4. 58. 115. 250. Or. Guelf. 3, 487.
  2. 1182. 96: Möser 4, 325. C. d. Westf. 2, 244.
  3. 1258: Würdtwein s. 6, 447.
  4. Vgl. § 38.
  5. C. d. Westf. 2, 12.
  6. 1138. 70: Lacombl. 1, n. 329. C. d. Westf. 2, 109.
  7. 1116–72: Lacombl. 1, n. 280. 301 u. oft C. d. Westf. 2, 35. 62. 116.
  8. 1158. 61: Meiller 42. 43.
  9. 1180. 81: Meiller 58. 59.
  10. 1137: Meiller 24.
  11. 1112–80: Lacombl. 1, n. 275. 307. 314. 455. 474.
Empfohlene Zitierweise:
Julius von Ficker: Vom Reichsfürstenstande. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1861, Seite 77. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Vom_Reichsf%C3%BCrstenstande_105.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)