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Formel: cunctis fidelibus sanctae dei ecclesiae et nostris. Auch in den Volksrechten und Kapitularien werden, so weit ich sehe, Principes nur etwa in den willkürlich wechselnden Ueberschriften erwähnt; so heisst es in Handschriften der Lex Alamannorum, welche allerdings noch dem neunten Jahrhunderte angehören, in der Ueberschrift, dass sie gegeben sei vom Könige Lothar una cum principibus suis id sunt 33 episcopi et 34 duces et 72 comites vel cetero populo, während andere den Ausdruck proceres gebrauchen.[1]

Die Schriftsteller konnten natürlich zu jeder Zeit die Ersten im Reiche oder nach dem Könige dem einfachen Wortsinne nach als dessen Principes bezeichnen, auch ohne dass man mit dem Worte bereits eine schärfer abgegrenzte staatsrechtliche Bedeutung verbunden hätte. Auch in urkundlichen Stücken, welche nicht den strengen Formen der Reichskanzlei folgen, finden wir den Ausdruck bereits mehrfach in der Karolingerzeit; so heisst es in unverdächtigen, wenn auch vielleicht nicht durchaus gleichzeitig niedergeschriebenen Fuldaer Traditionen 837: coram Ludovico imperatore et principibus eius; 848: coram ipso rege et cunctis principibus; 889: interea regali iussu venerunt omnes principes regni eius ad palatium Francofurt. ad regales tractandum causas[2]; in burgundischer Urkunde von 898: Ermengardis regina et cuncti principes Ludovici filii Bosonis[3]; heisst es in Urkunde des Grafen Werner, Stifters von Hornbach 887: cum serenissimo imperatore Karulo – communi consilio principum[4], so scheint dieselbe wenigstens in dieser Form verdächtig.

Dagegen habe ich bisher keine echte Kaiserurkunde aus den 22 frühern Zeiten des neunten Jahrhunderts gefunden, in welcher der Kaiser in der spätern Weise von seinen Principes spräche. Allerdings finden wir Kaiserurkunden von 769 für Ottobeuern, 772 für Hersfeld, 773 für Strassburg und Kempten, 811 und 813 für Reichenau, 817 für Murhard und Würzburg, 866 für Lindau, 889 für Osnabrück[5], in welchen von principibus nostris oder universis regni principibus oder multis principibus tam spiritualibus quam saecularibus die Rede ist; aber in allen diesen Fällen dürfte der Ausdruck nur die ohnehin überzeugenden Gründe gegen die Echtheit noch vermehren. In Urkunde K. Lothars von 845 für St. Stephan in Strassburg würde die ungewöhnliche Formel: consultis summis ecclesiae principibus atque regni fidelibus pro aliqua evidentissima et catholicis principibus legaliter cognita necessitate[6], auch abgesehen von etwaiger Verdächtigkeit der Urkunde doch kaum hieher zu ziehen sein. Nur in Urkunden Karls des

Dicken, welche ich nicht als verdächtig bezeichnen möchte, finden sich

  1. M. G. Leg. 3, 45.
  2. Schannat Trad. 172. 193. 214.
  3. Or. Guelf. 2, 109.
  4. Acta palat. 6, 258.
  5. M. B. 31, 7. Wenk 2, 5. Lünig 7c, 276. 18, 169. Wirtemb. UB. 1, 72. 77. 88. M. B. 31, 38. Lünig 18b, 146. Möser 4, 16. Vgl. Reg. Westf. n. 480.
  6. Herrgott 2, 27.
Empfohlene Zitierweise:
Julius von Ficker: Vom Reichsfürstenstande. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1861, Seite 71. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Vom_Reichsf%C3%BCrstenstande_071.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)