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18 Jedenfalls finden sich solche Stellen gegenüber dem häufigern Gebrauch der gleichbedeutenden Ausdrücke nur vereinzelt und es ist wohl anzunehmen, dass man den Ausdruck in dieser Beziehung vermied, weil Principes schlechtweg wohl schon im zwölften Jahrhunderte zunächst nur die Reichsfürsten bezeichnete. Insbesondere möchte es beachtenswerth sein, dass im Lande Sachsen, wo nach manchen näher zu erörternden Anhaltspunkten sich der Begriff des Reichsfürstenstandes schon früh besonders scharf ausgebildet zu haben scheint, sich, so weit ich sehe, kein Beispiel findet, dass der Herzog von Sachsen von seinen Principes spräche oder dass von den Principes irgend eines Bisthums oder einer Markgrafschaft die Rede wäre. Auch das ist zu beachten, dass kaum eine der angeführten Stellen über das Ende des zwölften Jahrhunderts hinausreicht; selbst in den lotharingischen Reichstheilen, wo er doch am verbreitetsten war, hört der Gebrauch, Grosse in Beziehung auf einen kleinern staatlichen Kreis als Principes zu bezeichnen, um diese Zeit auf, was mit spätern Ergebnissen stimmen wird.

19 Eine Ausnahme bildet jedoch Böhmen. Gewöhnlich werden auch in den slavischen Reichstheilen die Grossen als Barone bezeichnet, so in Pommern[1], in Schlesien[2], in Mähren.[3] Auch in Böhmen scheint es für die ältere Zeit ein ganz vereinzelter Fall zu sein, wenn 1088 K. Wratislaw sagt: fratribus meis assentientibus ceterisque tam Bohemie quam Moravie principibus.[4] Mehrfach findet sich im zwölften und auch noch im dreizehnten Jahrhunderte der Ausdruck Primates, vereinzelt auch Proceres Bohemie; aber am häufigsten nannte man auch hier zumal im dreizehnten Jahrhunderte mit Vermeidung von Ausdrücken, welche der Sprachgebrauch zunächst nur auf Reichsfürsten bezog, die Grossen Barones oder auch Nobiles[5]; selbst bei Hervorhebung der angesehensten: maiores barones regni nostri[6]; die Reichskanzlei bezeichnet sie 1216 als universitas magnatum et nobilium Bohemie.[7]

Dagegen finden wir seit dem Ende des dreizehnten Jahrhunderts von den Baronen eine höher stehende Klasse der Grossen als böhmische Fürsten sehr bestimmt unterschieden. So finden wir in königlichen Urkunden 1295 und 1297 den Probst von Wissehrad, 1298 den Bischof von Olmütz als princeps noster dilectus, 1313 die Bischöfe von Prag und Olmütz als principes – regni Bohemiae bezeichnet[8]; in allgemeinerer Fassung heisst es 1307: regni Boemie principes, magnates, barones et nobiles; 1319: principes, barones, praelati et nobiles regni Boemiae[9] Noch in der Urkunde, mit welcher 1289 Herzog Kasimir von Oppeln die Reihe der schlesischen Lehnsauftragungen an

Böhmen eröffnet, heisst es: tanquam vester vasallus fidelis sive baro

  1. 1176 u. s. w.: Dreger 22 u. s. w.
  2. 1230 u. s. w.: Tschoppe 291. 306. Stenzel 38. 61. 128 u. s. w.
  3. Vgl. Erben 757.
  4. C. d. Morav. 1, 183.
  5. Nachweise bei Erben 713.
  6. C. d. Mor. 2, 123.
  7. l. c. 2, 88.
  8. l. c. 5, 30. 71. 95. Henneb. UB 1, 55.
  9. Palacky Formelb. 327. C. d. Lus. sup. 1, 168.
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Julius von Ficker: Vom Reichsfürstenstande. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1861, Seite 68. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Vom_Reichsf%C3%BCrstenstande_068.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)