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uns nicht auf die unmittelbare Nachbarschaft Flanderns beschränken; 1089 erwähnt der Graf von Hennegau principatus nostri iudicii severitatem[1]; in Oberlothringen nennt sich 1114 der Herzog Lotharingorum dux, princeps et marchio[2]; und auch hier kommen wir wenigstens bis auf mindermächtige Grafen, indem wir 1159 unter den Zeugen einer herzoglichen Urkunde einen Simon princeps Clarimontis finden, 1174 der Graf von Salm seine Vorfahren als praefati principes bezeichnet.[3] Als ein verspätetes und auffallendes Beispiel dieses Gebrauches könnten wir noch das Ego Wilhelmus Hollandiensis militiae princeps in dem Ritterschlagsceremonial K. Wilhelms vom J. 1248 anführen[4], wenn wir nicht geneigter wären, diesen Ausdruck den übrigen Gründen anzureihen, welche sich gegen die Echtheit des Stückes geltend machen lassen.

7 Fanden wir bisher das Wort Princeps als allgemeine Bezeichnung für jeden Herrscher abwechselnd statt der bestimmteren Ausdrücke Imperator, Rex, Comes, Dominus gebraucht, so begegnen wir ihm auch als stehendem Titel für einzelne Herrscher. Dahin liesse sich schon ziehen das Dux et Princeps Francorum der späteren karolingischen Hausmeier.[5] Wenn sich römische Gewalthaber des Titels bedienen z. B. 945: Nos Albericus domini gratia humilis princeps atque omnium Romanorum Senator[6], so war das vorübergehend. Dauernd dagegen gestaltete sich dieser Gebrauch in Unteritalien. Herzog Arrichis von Benevent liess sich zuerst principem Beneventi nennen, und zwar unter Verhältnissen, nach denen wir annehmen müssen, der Titel habe eine höhere Stellung bezeichnen sollen, als die des Herzogs.[7] Durch Theilungen kamen die longobardischen Fürsten von Salerno und Capua hinzu; die normannische Zeit liess Fürstenthümer zu Bari und Tarent entstehen; der principatus Capue wird im sizilischen Königstitel normannischer Könige und K. Friedrichs II. ausdrücklich erwähnt; sein Sohn Manfred führt den Titel princeps Tarentinus; auch unter den Anjou bestanden hier Titelfürstenthümer fort. Durch Boemund von Tarent kam der Titel in den Orient, wo wir Fürsten von Antiochien und Tiberias finden; in Folge des vierten Kreuzzuges entstand dann das Fürstenthum Achaja. Davon führte im vierzehnten Jahrhunderte die in Piemont herrschende Nebenlinie des savoyschen Hauses den Titel princeps Achajae; es könnte scheinen, als habe nach dem Anfall ihrer Besitzungen an die Hauptlinie diese den Titel auf Piemont übertragen, da wir im fünfzehnten Jahrhunderte beim Herzoge oder dessen Söhnen mehrfach den Titel princeps Pedemontium finden[8];

doch herrschte in diesen Bezeichnungen manche Willkür; 1416 und 1427

  1. Mir. 1, 517.
  2. Calmet 2, 298.
  3. Calmet, 2, 456. 366.
  4. M. G. 4, 361.
  5. z. B. 742. 744: M. G. 3, 16. 20.
  6. Ughelli 1, 1099.
  7. Vgl. Muratori ant. 1, 179.
  8. Guichenon h. de Bresse. 65. 123.
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Julius von Ficker: Vom Reichsfürstenstande. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1861, Seite 56. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Vom_Reichsf%C3%BCrstenstande_056.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)