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auf die Stelle des Schwabenspiegels hinzuweisen, wo es heisst: so man sprichet princeps das sprichet in tütsch ein fürst. [1]

Um eine Grundlage für die Erörterung der Bedeutung zu gewinnen,2 welche das Wort Princeps in der Reichsverfassung des zwölften und dreizehnten Jahrhundertes hatte, werden wir dasselbe allerdings in weiterer Ausdehnung verfolgen müssen; doch kann es nicht unsere Aufgabe sein, jeden Gebrauch, den das frühere Mittelalter davon machte, zu erörtern; wir fassen es lediglich in seiner Beziehung zum Staate. Auch in dieser Beschränkung begegnet es uns in sehr verschiedenen Bedeutungen; doch lassen sich alle auf zwei Gesichtspunkte zurückführen. Man ging einerseits von der einfachen Form aus und nannte Princeps denjenigen, der entweder unbedingt oder doch mit Beziehung auf irgend einen grössern oder kleinern Kreis des Staatslebens der Erste war, also den Herrscher. Oder aber man ging von der Mehrzahl aus, bezeichnete als Principes diejenigen, welche die Ersten nach dem Herrscher oder auch ohne Beziehung[WS 1] auf einen solchen die unter sich wesentlich gleichstehenden Ersten in irgend einem Kreise des Staatslebens waren. In Beziehung auf ein und denselben Kreis sollten demnach beide Bedeutungen sich strenggenommen ausschliessen; wer selbst Princeps schlechtweg ist, sollte nicht zu den Principes gezählt werden; und wo wir Princeps gleichbedeutend mit dem zuweilen vorkommenden schärfern Ausdrucke unus ex principibus gebraucht finden, muss sich die Erinnerung an die ursprüngliche Bedeutung schon verloren haben.

Für unsern Zweck haben wir beide Bedeutungen zu verfolgen. Denn einmal könnte es zweifelhaft erscheinen, ob man bei Bezeichnung des Reichsfürsten davon ausging, dass er Princeps in seinem Fürstensprengel war, oder davon, dass er zu den Principes regni oder imperii gehörte. Und obwohl sich das Letztere leicht herausstellen wird, ist doch weiter auch der erste Gebrauch in so weit für uns von Wichtigkeit, als er mehrfach wird herangezogen werden müssen, um einige Unregelmässigkeiten in der spätern Entwicklung des Reichsfürstenstandes zu erklären.

3 Princeps schlechtweg und unbedingt kann eigentlich nur der Kaiser sein. Die römische Rechtsgelehrsamkeit hatte kein geeigneteres Wort gefunden zur Bezeichnung der Machtfülle der Imperatoren, und die Kaiser des Mittelalters waren sich der Schärfe der Waffe, welche ihnen deren Sätze in die Hand gaben, zu wohl bewusst, als dass es nicht besondern Reiz für sie hätte haben sollen, sich als den Princeps der römischen Rechtsbücher betrachtet zu sehen. Aber auch ohne dass wir uns gerade überall diesen Begriff massgebend denken müssten, begegnen wir sehr häufig dem Gebrauche, den Kaiser schlechtweg als Princeps zu bezeichnen. Bei manchen Schriftstellern ist das ganz

hergebracht; in den Kanzleien mussten allerdings schärfere Bestimmungen

  1. 2. Sw. Ldr. W 111. L 131.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Beziehnung
Empfohlene Zitierweise:
Julius von Ficker: Vom Reichsfürstenstande. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1861, Seite 52. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Vom_Reichsf%C3%BCrstenstande_052.jpg&oldid=- (Version vom 29.8.2018)