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VIII.

63. Zu Ende des zwölften Jahrh. hat sich ein anders abgegrenzter neuerer Reichsfürstenstand gebildet[WS 1]. 64. Nähere Haltpunkte geben uns die Erhebungen in den Reichsfürstenstand, welche in früherer Zeit nicht betont wurden. Für die Bischöfe, welche von jeher Reichsfürsten waren, finden wir auch in der Zeit des neuern Fürstenstandes keine eigentliche Erhebung bis auf die spätern Zeiten des Reichs; 65. ebensowenig für Aebte und Aebtissinnen, 66. und andere geistliche Würdenträger. 67. Auch bezüglich der weltlichen Fürsten ist in früherer Zeit von Erhebung kaum die Rede; 68. die Erhebung von Thüringen, 69. Oesterreich und Steier, 70. Mecklenburg und Pommern sind keine Erhebungen in den Fürstenstand. 71. Eine solche scheint in Mähren stattgefunden zu haben; 72. das erste genau bekannte Beispiel gibt die Erhebung des Grafen von Hennegau zum Markgrafen von Namur, woraus sich ergibt, dass Grafen jetzt an und für sich dem Fürstenstande nicht mehr angehören; 73. eine Bestätigung gibt die beabsichtigte Erhebung des Grafen von Holland. 74. Bei den Erhebungen des Herzogs von Braunschweig, 75. der Habsburger zu Herzogen von Oesterreich, Meinhards von Görz zum Herzoge von Kärnthen, 76. des Landgrafen von Hessen wird auf den dadurch erlangten Fürstenstand besonderes Gewicht gelegt 77. Savoien und Geldern zeigen, dass der Grafentitel mit dem Fürstenstande vereinbar war. 78. Die angeblichen Erhebungen von Henneberg und Nürnberg sind nur Verleihungen von Fürstenrechten, 70. die von Nassau beruht auf einer unechten Urkunde. 80. Bei spätern Erhebungen wird der Fürst zugleich zum Markgrafen, 81. häufiger zum Herzoge erhoben. 82. Doch wurden noch die Grafen von Cilly und Aremberg zu gefürsteten Grafen erhoben; bei andern sogenannten gefürsteten Grafschaften ist eine Erhebung nicht anzunehmen. 83. Die später Erhobenen erhalten nach einem von den Niederlanden ausgehenden Brauch keinen Amtstitel, sondern den Fürstentitel in engerer Bedeutung. 84. Castruccio wird durch die Erhebung zum Herzoge von Lucca nicht zugleich Reichsfürst; 85. später erfolgen auch in Italien Erhebungen zu Reichsfürsten. 86. Nur der Kaiser oder König konnte zum Fürsten erheben, da den Reichsfürsten, ausser Oesterreich u. Savoien, nicht einmal die niedern Standeserhöhungen zustanden; 87. doch erhob auch der König von Böhmen zu böhmischen Fürsten. 88. Bei den Erhebungen im Königreiche Sizilien handelt es sich um Aenderung des Grafentitels in den Fürstentitel; 89. in Frankreich ist das Entsprechende die Erhebung zum Pair; erst später wird zum Fürsten in engerer Bedeutung erhoben; 90. auch in England dürfte die Erhebung zum Pair entsprechen, wofür der Markgraf von Jülich ein Beispiel bietet.

IX.

91. Ein weiteres Hülfsmittel zur Feststellung der eingetretenen Aenderungen bietet der Sprachgebrauch der Reichskanzlei bei Bezeichnung der Grossen, welche jetzt weder alle anwesenden Grossen, 92. noch auch die Grafen als Fürsten bezeichnet, 93. und zur Bezeichnung der Gesammtheit dem Worte Principes andere zur Bezeichnung der Grossen niedern Ranges zufügt, 94. so Fideles, Nobiles, 95. Curia, Prudentes, Sapientes, 96. Magnates, 97. Barones, 98. Proceres. 99. Wo eine Mehrzahl derselben zugefügt wird, ergibt sich wohl eine Rangordnung, welche aber zu schwankend ist, als dass es sich um schärfere Unterschiede handeln kann; 100. dagegen geht der Ausdruck Comites, welcher nie allein zugefügt wird, immer den andern voran; 101. dennoch bilden die Grafen keinen besondern Stand zwischen Fürsten und Edelherren, sondern gehören zu den letztern. 102. Das bestätigen die Strafbestimmungen; 103. aus den für Italien erlassenen scheint sich zu ergeben, dass es dort keinen weltlichen Fürstenstand gab. 104. Den auf die Fürsten folgenden Stand weltlicher Grossen bezeichnen wir am geeignetsten als den der Magnaten, 105. welchem unter den Geistlichen der Stand der Prälaten entspricht.

  1. gebildes Vorlage
Empfohlene Zitierweise:
Julius von Ficker: Vom Reichsfürstenstande. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1861, Seite 21. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Vom_Reichsf%C3%BCrstenstande_021.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)