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sondern sie bis an seinen Tod in seiner Hand behielt; erst K. Philipp verlieh sie wieder.

Man kann einen solchen Fall als Ausnahme betrachten; vielleicht aber auch schon als Zeichen des Aufkommens einer Richtung, welche im dreizehnten Jahrhunderte die wesentlichsten Umgestaltungen im Reiche herbeiführte, der nämlich, entgegen den Satzungen des Reichslehnrechts die grossen heimfallenden Lehen nicht wieder lehenweise, sondern amtsweise auszugeben und so den Lehnsstaat zum Beamtenstaate zurückzufuhren. So wenig mir diese Richtung bisher genugsam betont und in ihrem Gesammterfolge beachtet erscheint, man darf nur auf dieselbe hinweisen, um, da die einzelnen Thatsachen bekannt sind, ihren tiefeingreifenden Einfluss auf das Ganze ausser Zweifel zu setzen. Hier lag gewiss einer der wichtigsten Entscheidungspunkte unserer Geschicke; jenachdem es dem Königthume, oder aber dem Fürstenthume gelang, auf diesem Wege den Vorsprung zu gewinnen, musste es sich entscheiden, ob der Begriff des modernen Staates sich auf der Grundlage des gesammten Reiches oder der einzelnen fürstlichen Territorien weiter entwickeln sollte.

Das Königshaus, in seiner Machtstellung durch Thronstreitigkeiten geschwächt und es vorziehend, mit geringerer Schwierigkeit dieselbe oder doch eine ganz verwandte Aufgabe im sizilischen Erbreiche zu lösen, liess dem Fürstenthume einen Vorsprung, welcher nicht mehr nachzuholen war. Wie sich schon in der ersten Hälfte des dreizehnten Jahrhunderts bei geistlichen wie weltlichen Fürsten das Streben zeigt, durch das Einziehen heimfallender Grafschaften die fürstlichen Territorien mehr und mehr zu schliessen und einheitlicher zu gestalten, wie Erfolg oder Misslingen dieser Versuche in jener Zeit meistentheils für den spätern Bestand des Fürstenthums massgebend wurde, denke ich an anderm Orte auszuführen. Als Beispiel dürfte hier eine Hinweisung auf das Herzogthum Baiern genügen. Es ist bekannt, wie beschränkt der Bezirk war, welcher bei Erhebung der Wittelsbacher dem Herzoge unmittelbar unterstand, wie rasch sich dieser aber unter den ersten Wittelsbachischen Herzogen zu einem grossen geschlossenen Territorium erweiterte. Die Lösung liegt

nahe, wenn wir fragen, an wen die Markgrafschaft Vohburg, die

Empfohlene Zitierweise:
Julius von Ficker: Über die Entstehungszeit des Sachsenspiegels und die Ableitung des Schwabenspiegels aus dem Deutschenspiegel. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1859, Seite 133. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Entstehung_Sachsenspiegel_137.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)