Seite:Ficker Entstehung Sachsenspiegel 130.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

solche Rechte, über welche ältere Verbriefungen unzweifelhaft nicht bestanden, konnte nur durch bejahrte Zeugen geführt werden, auf welche im gegebenen Falle ausdrücklich hingewiesen ist; und diese konnten doch höchstens bezeugen, sie hätten von ihren ältern Zeitgenossen gehört, es sei immer so gewesen. Dadurch wird nun allerdings eine gewisse Zeitgränze gegeben sein, über welche rückwärts hinaus das Recht als wirklich erwiesen nicht mehr betrachtet werden kann; für den nächsten Zweck dürfte sich aber doch kaum behaupten lassen, dass nicht wenigstens bis um 1230 zurück sich in dieser Weise ein positiver Beweis herstellen liess. Und jedenfalls ergibt sich, da die böhmischen Ansprüche nicht unbestritten blieben, das negative Resultat, dass man 1290 nicht im Stande war, den Beweis zu fuhren, dass jemals nicht der Böhmenkönig, sondern etwa ein anderer Fürst Schenk gewesen sei; und das allein dürfte doch genügen, um das Zutreffen der Angabe des Ssp. in der Zeit um 1230 sehr wahrscheinlich zu machen. Diese Argumentation scheint mir auch durch die Bemerkung des H. v. D. S. 80, dass man ja auch das Kurrecht von einem unvordenklichen Herkommen ableitete, nicht entkräftet zu werden. Denn so wenig ich darin, dass das gegen Ende des Jahrhunderts mehrfach der Fall war, einen Beweis sehe, dass das ausschliessliche Wahlrecht der Kurfürsten sich nicht erst im Interregnum ausgebildet haben könne, so wenig kann ich andererseits diese Anschauung als eine ungerechtfertigte betrachten; das Herkommen, wonach bestimmten Fürsten ein wenn auch nur formeller Vorzug bei der Wahl zustand, konnte allerdings schon zur Zeit K. Rudolfs als unvordenklich bezeichnet werden; und war das Mass der Befugnisse auch noch in gedenkbarer Zeit ein verschiedenes gewesen, wer wird nicht zugeben, dass bei solchen Anschauungen allen Analogieen zufolge das Bestehen der Form das massgebende ist, man sich mit ihr unwillkürlich auch die Bedeutung verbunden denkt, welche sie in der betreffenden Zeit in Folge nicht einer einzelnen scharf hervortretenden Thatsache, sondern einer allmähligen, der Aufmerksamkeit selbst der Zeitgenossen sich entziehenden Entwicklung gewonnen hat. Eine solche Grundlage, an

welche die Ansicht eines unvordenklichen Herkommens anknüpfen

Empfohlene Zitierweise:
Julius von Ficker: Über die Entstehungszeit des Sachsenspiegels und die Ableitung des Schwabenspiegels aus dem Deutschenspiegel. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1859, Seite 126. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Entstehung_Sachsenspiegel_130.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)