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zeigen, keinen Anstand nahm, den ersten Wählern besonderes Gewicht beizulegen; machte Köln, wie es scheint, zuerst 1198 ihren Vorzug beim Papste geltend, so konnte das diesem kaum auffallen, wenn ihm gegenüber die Rechtmässigkeit der Wahl überhaupt herkömmlich durch das Zeugniss nur der ersten Wähler bedingt war.

Im sächsischen Lhr. ist diese Anschauung beibehalten; im Ldr. findet sie sich nicht. Es nennt einfach sechs Fürsten, welche zuerst die Stimme abgeben sollen, setzt aber ausdrücklich hinzu, dass nach ihnen alle andern geistlichen und weltlichen Fürsten wählen sollen. Es weist weiter ausdrücklich darauf hin, dass jener Ansicht keineswegs die allein entscheidende sein solle; sie sollen ihre ersten Stimmen für den abgeben, über welchen sich vorher alle geeinigt haben. Es ist das ein Vorgehen, wie es auch sonst im Reichsgerichte beobachtet wird, und wir dürften überhaupt kaum fehl gehen, wenn wir die Königswahl als einen vor dem Reiche gefundenen Rechtsspruch fassen, wer berufen sei, den Thron zu besteigen. In den Urkunden über Rechtssprüche wird nicht selten angegeben, dass diejenigen, welche der König um ein Urtheil fragt, sich zuvor mit allen Anwesenden berathen und mit ihrer Zustimmung ihr Urtheil geben, welchem dann natürlich, wenn überhaupt Einigkeit zu erzielen war, alle andern folgten. Eine solche Vorberathung würde schon daraus zu folgern sein, dass wir, etwa abgesehen von der Nachricht über einen Einspruch Heinrichs des Löwen gegen die Wahl K. Friedrichs I., nur von Einmüthigkeit in den Wahlversammlungen wissen, Einmüthigkeit auch von altersher Erforderniss der gültigen Wahl gewesen zu sein scheint; bei zwistigen Wahlen finden wir getrennte Wahlversammlungen, von welchen die eine die Kompetenz der andern überhaupt bestreitet.

Im allgemeinen gesteht der Ssp. den ersten Wählern so wenig einen entscheidenden Einfluss auf die Wahl zu, dass er vielmehr gegen einen solchen ausdrücklich Verwahrung einlegt. Nach den frühern Erörterungen ist wohl kaum noch darauf hinzuweisen, wie wenig das mit den vollkommen ausgebildeten kurfürstlichen Vorrechten zur Zeit K. Rudolfs zu vereinigen wäre;

sprächen selbst alle anderen Anhaltspunkte für eine Entstehung

Empfohlene Zitierweise:
Julius von Ficker: Über die Entstehungszeit des Sachsenspiegels und die Ableitung des Schwabenspiegels aus dem Deutschenspiegel. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1859, Seite 120. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Entstehung_Sachsenspiegel_124.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)