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Strafe des Rades für Mordbrand eine Verschärfung gegenüber der Constitutio de incendiariis von 1187 zeigt, scheinen das zu bestätigen, obwohl ich ihnen in Berücksichtigung der vorgebrachten Gegengründe entscheidendes Gewicht gerade nicht beilegen möchte. Dass sich in den Strafbestimmungen der Treuga überhaupt kaum Abweichungen von denen älterer Reichsgesetze zeigen (vgl. Boehlau a. a. O. 76), dürfte die früher geäusserte Ansicht bestätigen, dass es sich hier wesentlich nur um Erneuerung und Bestätigung althergebrachter Satzungen handelt.

4. Dafür, dass die Treuga nicht K. Heinrich VI., sondern K. Heinrich VII. angehört, dürfte sprechen, dass Bestimmungen derselben mehrfach in Gesetzen und Rechtssprüchen aus der frühern Zeit K. Friedrich II. wiederkehren, was doch mindestens darauf deutet, dass die Bedürfnisse, welchen sie abhelfen sollten, sich gerade damals geltend machten. So die Bestimmungen über die Schützer der Geächteten (vgl. 1219. Mon. Germ. 4, 234), über die Zerstörung von Plätzen, in welchen Geächtete gehauset (1235. a. a. O. 317.), über das Ineinandergreifen von Acht und Bann, über den Schutz der Kirchen gegen ihre Vögte (1220. a. a. O. 236. 243.), über Ketzer.

5. Die Treuga, zumal § 18. 22. setzt wohl eine Zeit ungetrübten Einvernehmens zwischen Staat und Kirche voraus; dass man 1188–1190, wo ein sehr gespanntes Verhältniss zwischen Kaiser und König einerseits, dem Papste und mächtigen deutschen Kirchenfürsten andererseits bestand, in einem Reichsgesetze ausdrücklich erwähnt haben sollte, dass das Kirchengut sub protectione domini pape et imperatoris stehe, ist mir sehr unwahrscheinlich; trefflich würde dagegen das und manches andere in die frühern Zeiten K. Heinrichs VII., in die Zeit der Reichsverwesung Engelberts des Heiligen passen.

6. Besonderes Gewicht möchte ich auf den Tr. § 8 vorkommenden Ausdruck dominus provincie legen. Ihm entspricht der dominus terre in Rechtssprüchen von 1231 (Mon. Germ. 4, 282. 283); dagegen dürfte sich dieser oder ein ähnlicher Ausdruck in Schriftstücken der Reichskanzlei aus den Zeiten K. Friedrichs I. und K. Heinrich VI. weder wirklich nachweisen lassen, noch auch nur die Möglichkeit seines Vorkommens glaublich zu machen

Empfohlene Zitierweise:
Julius von Ficker: Über die Entstehungszeit des Sachsenspiegels und die Ableitung des Schwabenspiegels aus dem Deutschenspiegel. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1859, Seite 94. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Entstehung_Sachsenspiegel_094.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)