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Pfalzen aufzuführen, nicht aber Altenburg, wo zu seiner Zeit die sächsischen Hoftage so vorwiegend gehalten wurden? Woher seine genaue Kenntniss der Verlegung der Pfalz von Werle nach Goslar, welche, so viel ich weiss, in den Chroniken nicht erwähnt wird? Es dürfte eben so schwer glaublich sein, dass blosse mündliche Tradition den alten Zustand so genau festgehalten, als dass der ohne Vorlage schreibende Verfasser den spätern gar nicht beachtet haben sollte; die Annahme der Benutzung älterer Aufzeichnungen scheint mir hier nicht abzuweisen.

Dass dadurch für die unmittelbar folgenden Aufzählungen der sächsischen Fahnlehen und Bisthümer dieselbe Annahme näher gelegt wird, ist nicht zu bestreiten; andererseits aber auch nicht, dass doch wesentliche Verschiedenheiten stattfinden. Nicht die Pfalzen, wohl aber die Fahnlehen und Bisthümer entsprechen genau dem Zustande um 1230; und während wir bei den Pfalzen an eine wohl schon in das eilfte Jahrhundert zurückreichende Aufzeichnung zu denken hätten, ergibt sich für die Aufzählung der Bisthümer unmittelbar, dass sie frühestens in die spätern Dezennien des zwölften Jahrhunderts passt, während sich, freilich nicht durch kurze Hindeutungen, dasselbe für die Fahnlehen begründen liesse.

Und nehmen wir auch an, Eike folge hier einer ältern Quelle, wie gering wäre doch die Wahrscheinlichkeit, dass er, der in seiner Chronik S. 485 die Erhebung Braunschweigs mit genauer Angabe der vom gemeinen Reichslehnrechte abweichenden Erbfolge erwähnt, auch ausdrücklich der Verleihung mit Fahnen gedenkt, hier nach 1235 schreibend vergessen haben sollte, seine Vorlage zu ergänzen. Mit der Nichtnennung Altenburgs u. s. w. wäre das doch nicht zusammenzustellen; hier handelte es sich um ein sich allmählig bildendes Herkommen; es waren überhaupt die sächsischen Hoftage so selten geworden, dass der Verfasser sich kaum veranlasst sehen mochte, bezüglich eines Verhältnisses, über welches wenig mehr feststehen mochte, an seiner Vorlage zu ändern; dort dagegen handelt es sich um ein einzelnes, sehr bestimmt hervortretendes Ereigniss, welches bei Mitlebenden und zumal solchen, welche ihre Aufmerksamkeit den rechtlichen Verhältnissen

zuwandten, schwerlich leicht in Vergessenheit gerathen konnte.

Empfohlene Zitierweise:
Julius von Ficker: Über die Entstehungszeit des Sachsenspiegels und die Ableitung des Schwabenspiegels aus dem Deutschenspiegel. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1859, Seite 83. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Entstehung_Sachsenspiegel_087.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)