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einer derselben doch sehr naheliegenden Hs. So kann natürlich im gegebenen Falle auch L nicht auf der einzigen uns vorliegenden Hs. von D beruhen.

Anders gestaltet sich das aber doch, wenn wir die Stellung der Rechtsbücher an und für sich bestimmen wollen, d. h. ihrer wahrscheinlichen Urformen, so weit die vorliegenden Hss. einen Schluss auf diese gestatten. Da die vorliegenden Hss. von D und L nicht die Originale sind, sie also jedenfalls gemeinsam auf ein x zurückgehen müssen, welches ihre Verbindung mit S vermittelt, so wird es sich zur Entscheidung unserer Frage darum handeln, ob dieses x möglicherweise so beschaffen sein konnte, dass wir es als besonderes Glied neben S, D und L würden stellen können, oder ob es nicht vielmehr dem uns noch vorliegenden Texte von D so nahe gestanden haben muss, dass der Unterschied nicht grösser gewesen sein kann, als der zwischen einer spätern Abschrift und der Urschrift ein und desselben Werkes, dass demnach wenigstens für unsere Zwecke und Erkenntnissmittel x und D völlig zusammenfallen würden. Fassen wir nun aber alle im vorhergehenden Abschnitte für das negative Verhältniss der Unmöglichkeit der Ableitung L — D vorgebrachten Gründe positiv, vergegenwärtigen wir uns, welche nothwendige Beschaffenheit danach die Quelle gehabt haben muss, auf welcher L beruhen könnte und welche zugleich seine Verwandtschaft mit dem vorliegenden Texte von D und beider Ableitung aus S erklären würde, so ergibt sich für x, dass es sich in seinem ersten Theile schon wesentlich, wie D, an L, im zweiten an S anschliessen, dass es bereits ins Oberdeutsche mit denselben Versehen, welche sich in D finden, übertragen sein, dass es schon dieselben Lücken und Zusätze, schon dieselben Korruptionen mit D haben musste, aus welchen sich die Emendationen oder Lücken, S. 35. 81. 98 (147. 193. 210), in L erklären u. s. w.; kurz, es würde sich herausstellen, dass x fast alles eigen gewesen sein müsste, wodurch sich der uns vorliegende Text von D von allen andern bekannten Formen der Rechtsbücher unterscheidet. Mehr ist hier nicht zu erreichen; das Erreichte dürfte aber vollkommen zur Rechtfertigung der Annahme,

dass L auf der Urform von D beruhen müsse, genügen.

Empfohlene Zitierweise:
Julius von Ficker: Über die Entstehungszeit des Sachsenspiegels und die Ableitung des Schwabenspiegels aus dem Deutschenspiegel. Innsbruck: Verlag der Wagnerschen Buchhandlung, 1859, Seite 49. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ficker_Entstehung_Sachsenspiegel_053.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)